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Gesellschaft der Germanisten Rumäniens (GGR) - www.ggr.ro

 

Meyrink und das theomorphische Menschenbild*)


Mihai A. Stroe

 

   MEYRINKs Werk sollte von der Perspektive der Archetypologie neu definiert werden, da es auf dieser Ebene der ontischen Universalien eng mit dem romantischen Phänomen verbunden ist. C.G. JUNG zählt MEYRINK in diesem Sinne dem ‘visionären Kunstschaffen’ zu; jenen Persönlichkeiten wie DANTE, NIETZSCHE, WAGNER, WILLIAM BLAKE[1],JAKOB BÖHME, E.T.A. HOFFMANN, KUBIN, SPITTELER, RIDER HAGGARD, BENOIT, GOETZ und BARLACH, für die, im Gegensatz zur psychologischen Art des Kunstschaffens, besondere Gesetze gelten:

Der Wert und die Wucht liegen auf der Ungeheuerlichkeit des Erlebnisses, das fremd und kalt oder bedeutend und erhaben aus zeitlosen Tiefen auftaucht, einerseits schillernd, dämonisch-grotesker Art, menschliche Werte und schöne Formen zersprengend, ein schreckerregender Knäuel des ewigen Chaos.

   Das visionäre Schaffen ‘zerreisst’ den Vorhang (genauso wie es mit der Romantik der Fall ist), auf den die Bilder des Kosmos gemalt sind,

von unten bis oben und eröffnet einen Blick in unbegreifliche Tiefen des Ungewordenen. In andere Welten? Oder in Verdunkelungen der Geistes? Oder in vorweltliche Ursprünge der menschlichen Seele? Oder in Zukünfte ungeborener Geschlechter?[2].

   JUNG lässt schliesslich die Frage offen; und das weist auf die zwei Typen von Archetypen hin: die Jung’schen immanenten (Alphapunkte in der Vergangenheit) und die WILBER’schen transzendenten (Omegapunkte in der Zukunft). Unserer Hinsicht nach, sind die zwei eigentlich ein und derselbe Archetyp: der immanent-transzendente Archetyp als Alpha-und-Ome-ga-Punkt.

   Die archetypische Hypothese, die ich im vorliegenden Papier untersuche, ist, wie ich erwähnt habe, auch bei MEYRINK zu finden, wie JUNG im oben zitierten Exzerpt bemerkt. In diesem Sinne sagt der österreichische Denker im Roman Das grüne Gesicht: “Es gibt eine unsichtbare Welt, die die sichtbare durchdringt”[3]; das ist die göttliche Welt, die Welt der Ideen, von deren Existenz MEYRINK überzeugt zu sein scheint:

Jedes Ding auf Erden ist nichts als ein ewiges Symbol, in Staub gekleidet! [...] Alles, was zur Form geronnen ist, war vorher ein Gespenst.[4] (MEYRINKs und BLAKEs Denken sind in dieser Hinsicht isomorph).

   Im Roman Das grüne Gesicht stellt MEYRINK die folgende Frage:

Ist mein Körper etwas anderes als ein wimmelndes Heer lebendiger Zellen [...] die sich nach vererbter Gewohnheit von Jahrmillionen um einen verborgenen Kernpunkt drehen?

Er ahnte einen geheimnisvollen Zusammenhang zwischen dem Vorgang, den er gesehen, und den Gesetzen der innern und äussern Natur und begriff, wie zauberhaft schimmernd die Welt vor ihm wiederauferstehen müsste, wenn es ihm gelingen sollte, auch die Dinge in einem neuen Licht zu betrachten, die der Alltag und die Gewohnheit ihrer Sprache beraubt hatten.[5]

   Der Meyrinksche verborgene Kernpunkt ist die Welt der Archetypen, die Welt der Ursachen (diese sind die transzendentalen, ontischen Archetypen): das ist MEYRINKs Grundziel: “Sein Geist tauchte hinab in den Abgrund des Seins und des Reiches der Ursachen”[6]. In dieser Welt sind alle psychischen Kräfte enthalten:

Das Gemälde kann vermodern, das Malenkönnen kann nicht verlorengehen, auch wenn der Maler stirbt. Es bleibt als vom Himmel geholte Kraft bestehen, die vielleicht für lange Zeit schlafen gehen mag, aber immer wieder auftaucht, wenn das geeignete Genie geboren wird, durch das sie sich offenbaren kann.[7]

   Hier sind die Keime der Jungschen Theorie der Archetypen unzweifelhaft präsent. Das folgende Zitat erweist, dass bei Meyrink die archetypische Hypothese das Ganze des Werkes strukturiert:

Die schmalen, verborgenen Steige sind’s, die in die verlorene Heimat zurückführen[8]: das, was mit feiner, kaum sichtbarer Schrift in unserem Körper eingraviert ist, und nicht die scheußliche Narbe, die die Raspel des äußeren Lebens hinterläßt, birgt die Lösung der letzten Geheimnisse.[9]

   Das Eingravierte[10] ist das Angeborene, d.h. das Archetypische. Meyrinks Jungsche Weltanschauung ist auch im folgenden bemerkbar:

   “Die Seele ist nichts “Einzelnes” - sie soll es erst werden, und das nennt man dann: “Unsterblichkeit”[11]; Ihre Seele ist noch zusammengesetzt aus vielen “Ichen” - so wie ein Ameisenstaat aus vielen Ameisen; Sie tragen die seelischen Reste vieler tausend Vorfahren in sich – die Häupter Ihres Geschlechtes. Bei allen Wesen ist es so. Wie könnte denn ein Huhn, das aus einem Ei künstlich erbrütet wurde, sich sogleich die richtige Nahrung suchen, wenn nicht die Erfahrung von Jahrmillionen in ihm stäke? – Das Vorhandensein des “Instinkts” verrät die Gegenwart der Vorfahren im Leib und in der Seele”[12].

   Ausserdem spricht MEYRINK von den ‘Urwäldern der Seelen’, d.h. der ursprünglichen Welt der ontischen Energien. BLAKE schreibt in diesem Zusammenhang von den Wäldern des Entuthon Benithon sic (d.h. des physischen Körpers) (the Forests of Entuthon Benython sic[13]); sie stellen die psychische innere Struktur des Körpers und der Seele (für BLAKE Materie und Geist sind praktisch dasselbe):

And every Generated Body in its inward form,

Is a garden of delight & a building of magnificence,

Built by the Sons of Los.[14]

   Diese monistische Anschauung in BLAKEs System findet man auch bei MEYRINK, indem er vom Umstellen der Lichter spricht [15] (die Kabbala bezeichnet dieses Phänomen als Makifim), d.h. das Umstellen des Schwerpunkts des Menschen: das Herz muss man im Kopf und das Gehirn in der Brust haben (oder das Denken im Herzen)[16], wenn man vergöttlicht sein will. Das bedeutet, dass MEYRINK die Materie mit dem Geist nur durch die Geste des Umstellens der Lichter wieder vereinigt, so wie in BLAKEs System und in der Kabbala. Mit anderen Worten, die Wirklichkeit ist eine psychische (wie JUNG verkündigte), und die Materie ist nur durch die psychische Einstellung des Menschen vom Geiste getrennt: nur eine fundamentale ontische psychische Einstellung archetypischer Natur (d.h. voller numinoser Energie) kann diese Trennung oder Dualität beseitigen, so dass die ursprüngliche Einheit der Materie und des Geistes [die geistige Materie, oder der materielle Geist; siehe BLAKEs spiritual sensation, das praktisch dasselbe darstellt; BLAKE, wie LARRISSY unterstreicht, betrachtet den Körper als absolut identisch mit der Seele (Einheit der Materie und des Geistes, wie in BERKELEYs System)[17]] wiederhergestellt sei, und die Dualität in eine einheitliche und zugleich differenzierende Dialektik verwandelt werde.

   MEYRINKs Werk weist ausserdem eine starke Kohärenz auf, und kehrt letztlich immer wieder zu den selben Themen zurück[18], deshalb kann man wohl von Typologien und eine archetypologische Denkstruktur bei MEYRINK sprechen. Dabei soll erinnert werden, was die Kritiker Meyrinks bereits erwähnt haben, dass MEYRINKs Denken eine Weltanschauung aufbaut, die sich in der Nähe von EDGAR ALLAN POE, dem amerikanischen Romantiker, befindet. In diesem Zusammenhang bemerkt REITER, dass sich besonders in den 1890er Jahren eine spezifisch deutschsprachige Phantastik zu regen begann, die durch die verstärkte Rezeption des Werkes von Poe und den französischen, englischen und russischen Phantastik-Autoren gefördert wurde, und die einen Höhepunkt nach dem Ersten Weltkrieg erreichte[19]. Seit den 1890er Jahren gab es zwar eine allgemeine Tendenz der ‘Abweichung von der Normalität’[20] (das romantische Programm verkündete etwas Ähnliches: die Suche nach dem Progressiven, nach ewiger Neuheit, nach dem Exotischen, usw.), was eigentlich darauf hinweist, das Phantastische wurde zum verbreiteten Phänomen, das als eine Art Neuromantik zu verstehen ist (auch wenn Kritiker wie Wünsch von einer Nähe der Phantastik eines Meyrink zu dem Expressionismus sprechen[21]). Die deutschsprachige Phantastik entstand zwischen 1900-1930, und ihre Begründer sind u. a. GUSTAV MEYRINK, HANNS HEINZ EVERS, KARL HANS STROBL (sein Eleagabal Kuperus ist eine Art magnum opus der deutschen Phantastik), ALFRED KUBIN (seinen einzigen Roman, Die andere Seite, 1909, stellt PETER CERSOWSKY neben MEYRINKs Der Golem und KAFKA s Werk), und FRANZ SPUNDA(der, wie MEYRINK, magische Romane schrieb; die Handlung dieser Romane entfaltet sich oft von okkultistischen Vorstellungen)[22].

   Eine der wichtigsten Ideen in MEYRINKs System ist die Tatsache, dass das irdische Sein eine unabänderliche Kette von Ursache und Wirkung, von schicksalhafter Verstrickung ist (siehe WILBERs unendliches Netz der ontischen Verhältnisse, der semiotischen Felder[23]: das ist das Bild der vollständigen Kausalität): alles geschieht aus einer existentiellen Notwendigkeit heraus[24] (siehe Ananke der Griechen[25]). Eine weitere Idee, die zwar zum Gedankengut der Archetypologie gehört, ist die folgende: die fatalen Handlungen der Ahnen prägen nach MEYRINK das Leben zukünftiger Generationen (siehe z.B. ‘Meister Leonard’; siehe auch SHELDRAKEs Idee einer morphischen Resonanz, und die JUNG’sche Idee des Thesaurus Intelligibilium: das sind intellektuelle geerbte Formen). So glaubt MEYRINK, es existieren in der menschlichen Natur verhängnisvolle, kritische Konstanten, die sich von Generation zu Generation erhalten, und oft unbewusst bleiben (diese Hypothese ist offensichtlich mit der JUNG’schen Lehre vom Unbewussten vergleichbar). Die erwähnten Konstanten aber entfalten im entscheidenden Moment durchschlagende Wirkungen (so operieren auch die Jung’schen Archetypen: sie steuern die Verhaltens- und Zeitrichtungen, sie steuern die ontische Entwicklung, den ‘Zeitpfeil’, den Ilya Prigogine in der modernen Wissenschaft theoretiesierte und erforschte; dabei sei bemerkt, dass diese Idee Prigogine von Stanley Eddington übernahm, der eben die Entropie als ‘Zeitpfeil’ bezeichnete[26]). So ist die Aufgabe und Absicht des MEYRINK’schen Helden, ein ‘zweites, aller Materialität enthabenes’ Sein zu erstreben[27]: das ist ein pattern of behaviour, das alle romantischen Helden charakterisiert, deshalb kann man sagen, der MEYRINK’sche Held ist romantisch. Im Roman  Der Golem erreicht z.B. Athanasius Pernath, der als Symbol des vorzüglichen romantischen Suchenden betrachtet werden kann, den höheren Zustand von der Vereinigung des männlichen und weiblichen Prinzips nur mit Mirjam, die Tochter des Archivars Schemajah Hillel (der Archivar in der noch heute bestehenden Altneuschule, einer schon 1270 erbauten Synagoge; er stellt das positive Vaterbild dar, im Unterschied zu dem negativen Vaterbild, das durch Aaron Wassertrum dargestellt wird; hier ist Paul Moxnes’ Klassifizierung der Grundarchetypen: der Vater, die Mutter, der Sohn, die Tochter, der Diener, der Weise, der Held, der Besiegte; der Archetyp des Vaters bildet mit seiner antithetischen Form zwei Grundtypen: der gute Vater – der König, Gott, Zeus; der böse Vater – der Unmensch, der Teufel, Hades[28]; bei MEYRINK, wie es ersichtlich ist, scheint somit das archetypische Schema richtig zu funktionieren). Das ist die einzige Möglichkeit, die Materialität zu transzendieren, was auch Grundziel der Romantiker ist.

   Die Vereinigung der zwei Prinzipien (der sexuellen höchsten Archetypen) stellt unio mystica oder coincidentia oppositorum dar, von denen JUNG spricht: dieser Prozess ist im Wesentlichen das grosse alchemische Werk. Bei MEYRINK findet diese Vereinigung der Grundprinzipien nur im Golem statt; in den folgenden Werken sind sie streng voneinander getrennt[29], darum ist Der Golem als ein der zentralsten Interessengebiete für die archetypologische Analyse zu betrachten.

   Da das ganze menschliche Sein determiniert (und prädeterminiert) ist, kann der Mensch in MEYRINKs Anschauung für sein Handeln (d.h. für den Sündenfall) nicht zur Verantwortung gezogen werden. Im Roman Der Engel vom westlichen Fenster sagt sich Baron Müller über Fürstin Assja Chotokalungin:

Ein armes Medium war sie gewesen im schlimmsten Falle,  [...] ein Medium durch Schicksalsverflechtung, die wir gerechten Menschen hinterdrein so gerne «Schuld» nennen.[30]

   Ein Medium, das heisst ein Mittler, ein Zwischenraum zwischen zwei Welten, eine Schwelle, die zwei Welten verbindet. Man muss in diesem Zusammenhang nicht vergessen, die Natur der Romantik ist eben die der Schwelle.

   Wie KONIECZNY bemerkt, gibt es bei MEYRINK vier Charaktertypologien: 1) böse, negative Charaktere, die nicht dazu ausersehen sind, die höhere Daseinsstufe zu erreichen; ihre Funktion ist die Behinderung, Verwirrung, Desorientierung und Kompromitierung anderer Darsteller, deren Seelenheil nicht aufgegeben wird (so sind Aaron Wassertrum, Dr. Theodor Wassory und Rosina Metzeles im Roman Der Golem; Edward Kelley und Fürstin Assja Chotokalungin im Roman Der Engel vom westlichen Fenster usw.); diese Charaktere konstituieren was KONIECZNY als die MEYRINK’sche ‘Kosmologie des Bösen’ bezeichnet hat; 2) Charaktere mit einer verhalteneren Boshaftigkeit, die eine Chance eingeräumt bekommen, ihrem verhängnisvollen Schicksal zu entrinnen (Innozenz Charousek im Roman Der Golem; dieser ist, nach KENNETH MCLEISHS Klassifizierung der Archetypen, der Archetyp des Verwaisten[31]); 3) die grundsätzlich guten Charaktere, die Suchenden, die ständig durch die Bösen kompromittiert werden, und für die das Dasein stets eine Art Prüfstand ist (Athanasius Pernath im Roman Der Golem; John Dee, Baron Müller im Roman Der Engel vom westlichen Fenster); 4) die guten Charaktere, die die wirkenden Kräfte des Magischen, die archetypischen Kräfte personifizieren, und die schon zu Lebzeiten die höhere Daseinsform verwirklichen (der Archivar Schemajah Hillel im Roman Der Golem; Master Gardener / Theodor Gärtner im Roman Der Engel vom westlichen Fenster).

   So bemerkt man, dass Meyrink nach einem archetypischen polaren Schema seine fiktive Welt schafft. In diesem Schema sind die menschlichen Charaktere gradual definiert, sie sind die Ausdrücke eines kosmologischen Prädeterminismus, der mit dem deterministischen Entwicklungsschema verbunden ist.

   MEYRINKs Roman Der Golem (dieser sollte zuerst Der Ewige Jude, dann Der Stein der Tiefe heissen, ehe daraus Der Golem wurde) ist die in einem gespenstisch-zeitlosen Prager Judengetto angesiedelte doppelbödige Geschichte des Athanasius Pernath und seines Wegs zur spirituellen Erlösung[32] (das entspricht der Grundstruktur der romantischen Einweihung und Individuation). Der Roman enthält kabbalistische Chifren und mythologisch-okkulte Initiationsfragmente[33], und dadurch ist der Roman, in dem es eine Verlagerung des Interesses vom Individuellen auf das Typische (und unserer Hinsicht nach auch auf das Archetypische) gibt[34], noch enger mit dem romantischen Phänomen verbunden: die Romantik an sich (als ontische Einstellung) ist ein Weg der Einweihung, der wie jeder spiritueller Weg endlos ist (so ist auch der Prozess der Vergöttlichung des Menschen, oder Pernaths Weg zur spirituellen Erlösung): das ist die ‘dreifache Expedition’, die ins Verborgene / Unsichtbare unternommen wird: in die Tiefe der Natur (ins Erdinnere, wie z.B. bei NOVALIS, siehe das Bergwerk, oder bei BLAKE, siehe die ‘Geographie’ der Höhlen), in die Tiefe der Geschichte (in die Vorzeit) und in die Tiefe der Seele[35]. Ohne weiteres ist die MEYRINK’sche Expedition eine in die Tiefe der menschlichen Seele und Kultur (also auch eine Expedition in die Tiefe der Geschichte). Die verschachtelten mythologisch-okkultistischen Elemente treten im 2. Roman MEYRINKs, Das grüne Gesicht (1916), noch weitaus deutlicher zu Tage: in einem fiktiven Amsterdam nach Kriegsende führt MEYRINK eine Figurenkonstellation vor, anhand derer der Erlösungsweg des Protagonisten Fortunat Hauberrisser exemplifiziert und kommentiert werden soll (das ist ein vom Yoga inspirierter Weg zur Erkenntnis)[36]. Das grüne Gesicht ist ein Roman der langen Dialoge, Monologe und Reflexionen (also eine Art Traktat), in dem MEYRINK mythische Modelle und Glaubensmodelle ausdiskutiert. Stärker noch als Der Golem ist Das grüne Gesicht ein ‘Mythenpool’, in dem christliche, jüdische, ostasiatische, ägyptische und schwarz-afrikanische Mythologeme (als archetypische Strukturen) interagieren[37]. Der Golem und Das grüne Gesicht sind wichtig aber auch, weil man in ihnen die beste Darstellung der so genannten MEYRINK’schen Kosmologie des Bösen findet: so z.B. ist Usibepu im Roman Das grüne Gesicht (ein Zulu Afrikaner) das Prinzip des Bösen (das JUNG’sche Archetyp des Schattens; siehe auch KUBIN und BLAKE), das Gegenteil des Haupthelden, Fortunat Hauberrisser. Usibepu bleibt trotzdem ohne eine bestimmte Charakterisierung, was seiner negativen Natur nicht widerspricht: das Negative gehört der Nichtdifferenziertheit, der Primitivität. Ein anderes Beispiel ist der Mensch ohne Bewusstsein, dargestellt im Roman Der Golem durch Dr. Theodor Wassory. Dieser ist der Sohn des Milionären Aaron Wassertrum (eines negativen Vaterbildes, wie ich gezeigt habe). Für Wassory, der eitel, betrügerisch und geldgierig ist, ist der grösseste Wert die weltliche Macht und der weltliche Reichtum[38]; diese weisen auf negative Kräfte, die durch Gottheiten wie Mammon dargestellt sind. Des Weiteren, ist er ein Bild des falschen Retters (siehe die polaren Archetypen, positive und negative); durch abscheuliche Methoden macht er sich als Augenartzt bekannt. Er begeht Selbstmord (weil er dem Gedanken, er wird ins Gefängnis geworfen werden, nicht widerstehen kann), also manifestiert er das negativste charakterielle Extrem der menschlichen Natur: das Aufhören jeder Verbindung mit der Gottheit, das Versinken in Dunkelheit-Chaos-Vernichtung, der Triumph der Katabasis, wo das Unbewusste das Bewusste verschlingt. Ebenfalls stellt Rosina Metzeles aus dem Roman Der Golem das negative Weibliche dar, ein Bild des moralischen Verfalls, des verschlingenden Unbewussten. Sie ist das Bild des ewigen Prostituierten (die rote Rosina[39]; sie erlebt eine sexuelle Promiskuität, durch die sie die Dionysische, orgiastische Dimension der menschlichen zügellosen, primitiven, instinktiven, wilden Natur darstellt; siehe die Jungfrau-Babylon bei BLAKE, die ein biblisches Bild des Bösen symbolisiert, das durch die Weiblichkeit wirkt, die die Sexualität zu einem Extrem führt: der Grosse Babylon, die Mutter der Prostituierten: dies ist das BLAKE’sche Bild des Sündenfalles, der sexuellen Negativität) im Gegensatz zur ewigen Jungfrau. Aber Rosina beinhaltet auch das Bild der Nacktheit der absoluten Frau, indem sie das ontische Prinzip der weiblichen Anziehungskraft-Sensualität versinnbildlicht (ihr gelingt es, Athanasius Pernath zu verführen, als dieser vom seelischen Standpunkt verwundbar war, siehe den Roman Der Golem). KONIECZNY hat recht, wenn sie sagt, das Böse und das Hässliche ist bei MEYRINK auch ein ästhetisches Prinzip (ein Ästhetikum) sui generis[40]. Durch Negativität ist die ganze menschliche Natur analysiert und offenbart. Und das ist auch etwas, das die Romantiker wie BLAKE oder NOVALIS ausführen. Wie im Falle Hoffmanns, POEs und BAUDELAIREs, baut MEYRINK diese Art von Literatur aus einem Mangel an Transzendenz auf[41]. Das gilt für die Mehrheit der Romantiker, aber diese wählen als Zuflucht die Vision und der offenbarende Traum, das Licht des Geistes. Meyrink assimiliert die Kräfte des Nächtlichen (siehe auch KUBIN). Dazu wird das romantische Ideal der Suche nach Weisheit und nach der blauen Blume (das bei HOFFMANN relativ ist) bei MEYRINK das Herz des Werkes[42].

   Ein weiteres romantisches Charakteristikum MEYRINK ist was J. CHR. MEISTER als mystischer Solipsismus (mystische Ich-bezogenheit) bezeichnete: das ist die später entwickelte Geisteshaltung MEYRINKs[43] (Solipsismus ist offensichtlich ein wesentliches Merkmal der Romantiker). In diesem Zusammenhang war MEYRINK vom Wirken metaphysischer Mächte in der Welt überzeugt, aber er lehnte immer jede Form von okkulter Pseudo-Wissenschaft ab. Für MEYRINK führt die Technik des Rajayoga zur Loslösung von weltlichen Gesetzmässigkeiten, so dass der Atman-begriff eine entscheidende Rolle bei ihm spielt: das ist die spirituelle Legitimation der Ich-Rolle, und dabei ist Gott der Mensch selbst, das heisst das innerste Ich[44] (siehe auch KUBIN und BLAKE). Der MEYRINK’sche Weg führt zum kosmischen Dasein (was auch jeder Romantiker sucht), deshalb ist er so äusserst gefährlich (siehe z.B. den Irrweg des Schusters Klinkerbogk im Roman Das grüne Gesicht, der seine Tochter ersticht). MEYRINK problematisiert immer das Verrennen in esoterische Kulte und in Selbsttäuschungen. Dieses Verrennen wird durch den Erlösungsweg des einzelnen, von der Gesellschaft als Sonderling empfundenen Protagonisten konterkariert. Ab dem Roman Der Golem eigentlich gibt es bei MEYRINK nur Varianten und Implikationen dieser erlösungssuchenden Ich-Philosophie[45] (MEYRINK selbst war ein gesellschaftlicher Aussenseiter, der sich nicht den Normen anzupassen versuchte). Durch sein Weltbild versucht also MEYRINK die Weltlichkeit zu transzendieren (siehe auch z.B. Ophelia im Roman Der Weiße Dominikaner[46]: wie HÖLDERLINs Diotima-Melite oder NOVALIS’ Sophie-Mathilde, hat sie etherische Züge, sie trägt ein grünes Gewand, Myrtenkranz und Schleier, und sieht wie ein Wesen aus anderer Zeit und Welt; die transmundane Welt bei NOVALIS ist in diesem Sinne das einzige Medium, durch das er Sophie als weibliches ewiges göttliches Prinzip erfahren kann), um Glück und Ordnung archetypischer Herkunft jenseits der physischen Welt zu finden. Dazu trug die zeitgenössische Gesellschaft bei, indem sie ihn in ein weltfremdes Pseudo-Universum trieb. In diesem Sinne spricht KALKA von MEYRINKs tragisch-leidenschaftlicher Suche nach dem Anderen, nach dem Unsichtbaren[47], die einer antibürgerlichen Satire entstammt. Wie etwa BLAKE, versucht MEYRINK in seinem Werk (als Phantastik esoterisch verkleidet) nicht nur epochale Krisenerfahrungen zu illustrieren, sondern auch seine persönliche Krise zu bewältigen. Wie BLAKEs Werk, ist auch MEYRINKs ein Psychographieren der äusserlichen Welt und der eigenen innerlichen Welt.

   FRENSCHKWOSKI bemerkt, die typischen Gestalten in den Texten Der Golem und Das grüne Gesicht sind Verkörperungen des Schicksals des jüdischen Volkes; der Ewige Jude ist in dieser Hinsicht als Symbol der Ambivalenz jüdischer Geschichte zu verstehen[48] (dazu ist er auch als vorzüglicher Archetyp des Reisenden zu betrachten). Er wurde in der Literatur zur Schablone für ausserjüdische Reflexionen über den Gang der Welt-geschichte: die archetypische Struktur: Leid[49], Tod, Erlösung, d.h. die Dynamik der Ana- und Katagenese, Schöpfung und Vernichtung, und dann wieder Schöpfung. Bei MEYRINK aber ist der Ewige Jude, synkretistisch mit der islamischen Figur des Chadir amalgamiert, kaum noch als Symbol fürs Judentum zu verstehen. Meyrinks Ewiger Jude ist nämlich ein unsichtbarer Seelenführer[50]. Chidr ist eine arabische Sagengestalt, eine zu allerlei Verwandlungen fähige Figur, die Reisenden begegnet und als numinoser Helfer auftritt (siehe Elia im Judentum). Bei MEYRINK wird er zum Symbol einer mystischen Vitalität, das vegetabilische Bild des Baumes (siehe in diesem Sinne das kabbalistische Zentralsystem des sephirotischen Baumes[51]): MEYRINKs Chidher Grün symbolisiert die Vereinigung des männlichen und des weiblichen Prinzips im sefirotischen Baum[52], also eine coincidentia oppositorum, eine unio sacra. Auf der anderen Seite veranschaulicht die extreme Antithetik Wassertrum-Hillel im Roman Der Golem die Unvereinbarkeit von Materie und Geist[53], von Immanenzverhaftetheit und Transzendierung[54]; diese Inkongruenz ist aber nicht als endgültig zu betrachten, sie ist nicht eine undurchdringliche Grenze im Sinne von KANTs insuperabile line, unüberwindlicher Grenze; sie ist nur eine Hypostase der Inkompatibilität zwischen den zwei gegensätzlichen Welten. Diese Inkompatibilität kann man durch Initiation überwinden: das ist das Ziel von MEYRINKs Werk, sowie von BLAKEs, NOVALIS’ und anderer Romantiker Gesamtwerken. Diese extreme Inkompatibilität wird auch von der extremen Antithetik Mirjam-Rosina veranschaulicht: Mirjam ist die edle Gegenfigur zum Gassenmädchen Rosina; Mirjam hat Talmud und Midrasch gelesen, sie ist naiv und unverdorben[55]; Rosina ist eine Verführerin. Mirjam hat eine archetypische, numonise Natur:

Ein sonderbares Mädchen übrigens, diese Mirjam!

Ein Typus, wie ich ihn noch nie gesehen.

Eine Schönheit, so fremdartig, dass man sie im ersten Moment gar nicht fassen kann – eine Schönheit, die einen stumm macht, wenn man sie ansieht, ein unerklärliches Gefühl, so etwas wie leise Mutlosigkeit, in einem erweckt.

Nach Proportionsgesetzen, die seit Jahrtausenden verlorengegangen sein müssen, ist dieses Gesicht geformt [...].[56]

   So ist Mirjam eine Art ‘urfrauliches’ Bild (die Jung’sche Animafigur), das nach archetypischen Gesetzen strukturiert ist[57]:

Dass ich Mirjam viel zu oberflächlich beurteilt hatte, war klar [...] Schon ihr Gesichtsschnitt, der hundertmal eher in die Zeit der sechsten ägyptischen Dynastie paßte – und selbst für diese noch viel zu vergeistigt war – als in die unsrige mit ihren Verstandesmenschentypen, hätte mich warnen müssen.[58]

   [Siehe denselben vergeistigten Typ von Frauen bei Novalis (Sophie, d.h. die himmlische Weisheit, oder Mathilde, die himmlische Liebe), HÖLDERLIN (Diotima, d.h. Urania, das Himmlische-Uranische Licht) oder BLAKE (Jerusalem, d.h. die Freiheit des Geistes[59])].

   Der mit dem islamischen Chidher identifizierte Ewige Jude (im Roman Das grüne Gesicht) ist somit eine grosse geistige Führergestalt, ein Wegbegleiter zur JUNG’schen Individuation, zur Selbstfindung des Protagonisten Hauberrisser[60]. Athanasius Pernath im Roman Der Golem, auf der anderen Seite, ist kein Jude, er lebt nur in der Prager Judenstadt des ausgehenden 19. Jahrhunderts bei Juden und in der Zeit der Assanierung, die offiziell erst 1917 abgeschlossen wurde, er steht (drei Monate) im Gefängnis (das ist eine Art descensus ad inferos, eine Initiation, der Archetyp des Abstiegs, die katagenetische Dynamik; nach dieser katabatischen Initiation ist die tiefe Liebe zu Mirjam erwacht[61]), und, wie oben erwähnt, er ist das archetypische Bild des Suchenden. Hillel ist in diesem Sinne eine Art Seelenführer, der seelenkundige kabbalistische Weise, der in grosser Armut lebt und für Pernath zur Vaterfigur[62] wird (zum Archetyp des guten Vaters, des alten Weisen; Hillels christliche Güte ist augenfällig: die Bettler nämlich laufen vor ihm davon, damit er ihnen nicht all sein Geld gibt und mit seiner Tochter selbst hungern muss). Hillel ist somit die positive Lehrerfigur, die in völliger Gewissheit der Transzendenz lebt. Der MEYRINK’sche Golem selbst ist, wie FRENSCHKWOSKI bemerkt, ein ambivalentes Symbol der numinosen Kollektivseele des Ghettos[63]: er ist das Bild des JUNGschen kollektiven Unbewussten, das über faszinierende Kräfte verfügt[64]. Das Ghetto ist ausserdem eine Metapher für die menschliche Existenz: für die Heimatlosigkeit inmitten von Menschen (siehe das Bild des romantic outcast, des romantischen Ausgestossenen, z.B. bei BYRON, aber auch bei Blake: das Bild Albions, als des vom Paradies Ausgestossenen), die das Ich des Erzählers Pernath zugleich faszinieren und abstossen[65]. In diesem Sinne ist das Bild des Ghettos (d.h. des Diesseits, der physischen Welt) der Gegensatz des Hauses zur letzten Latern, das für MEYRINK ein Symbol für die Transzendenz als Heimat ist. In diesem Haus zur letzten Latern erreicht Pernath sein Ziel und seine Bestimmung[66]. Das ist das letzte Ziel des Meyrink’schen Helden, des Künstlers auf der Suche nach sich selbst[67] (wie etwa des romantischen Helden, der das Innere seiner Seele-Psyche untersucht). Diese Tatsache definiert auch KUBINs Roman, Die andere Seite. Kubin hatte die Illustrationen für MEYRINKs Roman Der Golem gezeichnet, dann aber wurden diese zum Nukleus von seinem eigenen Roman (Die andere Seite, München, Leipzig, Georg Müller, 1909).

   Das Bild des Ghettos kann aber als Initiationsstufe auch das alchemische nigredo darstellen. Es ist ein Bild des Eingesperrtseins, der Dunkelheit, also der schwarzen Phase des alchemischen Prozesses, in der sich die katagenetische Dynamik sich am stärksten manifestiert, da in dieser Phase alle Unreinheit beseitigt werden muss. Diese Dynamik ist im folgenden Text definiert:

Das Gefühl, als seien alle Dinge ringsum zu Asche zerfallen – als sinke der Raum mit rasender Schnelle irgendwohin in einer unerklärlichen Richtung, immer tiefer hinab und hinab in das erstickende Reich der Vergangenheit [...].[68]

   Dieses Bild ist ein Ausdruck des alchemischen nigredo, das Ausbrennen aller Unreinheit (siehe solche Bilder auch bei BLAKE[69]). Darauf folgt albedo oder geistige Erleuchtung, d.h. eben was MEYRINK und jeder Artifex finden will. KHUNRATH zeigt in diesem Zusammenhang, es gibt vier alchemische Phasen, die durch Vögel symbolisiert werden: putrefactio-Rabe (oder nigredo), albedo-Schwan, cauda pavonis-männlicher Pfau (die Phase der scheinenden Farben) und rubedo-Phönix[70]. BLAKE verwendet in diesem Sinne das Bild des Schwanes als Symbol des albedo in Jerusalem[71]. NOVALIS, auf der anderen Seite, verwendet das Bild des Phönix als Symbol des rubedo am Ende des Klingsohrsmärchens: Sophie - die himmlische Weisheit - ruft der Fabel (Dichtung) zu: ‘Der Phönix gehört dir’, und auf den Flügeln des Phönix sitzt Fabel, über dem Thron, der sich zum Hochzeitsbett verwandelt, schwebend. Wie HIEBEL zeigt, ist dieser Thron-Hochzeitsbett nichts anderes als das, was die Alchimisten die chymische Hochzeit nannten: das ist der Phönix, der mit dem Bild des Feuers/der Flamme verbunden ist; der Phönix ist ein altes Symbol der Alchimisten für die Auferstehung des Christus. Der Phönix ist in der Alchemie mit dem Lapis, dem ‘güldenen Stein’ identisch, die Stufe der erlangten Initiation[72]. JUNG hat in diesem Sinne demonstriert, es gibt einen Isomorphismus zwischen dem Lapis und Christus. MEYRINK auf der anderen Seite entwickelt das Symbol des Hauses zum Pfau, von dem Apulejus Ochs im 1. Kapitel des Fragments Das Haus des Alchemisten sagt, dass es ihm ‘seit Jahren die Welt bedeutet’[73].  MEYRINKs Asche kann deswegen auch auf das Bild des Phönix als Ausdruck des rubedo, der höchsten alchemischen Stufe, hinweisen. MEYRINK verwendet aber auch das Bild des Raben[74]. So spricht er in der Erzählung ‘Das Fieber’ von einem ‘Traum von einem Raben, der ein Herz ausgebrütet’[75]. Der Rabe versinnbildlicht das nigredo-putrefactio (siehe KHUNRATH), und, da Meyrink von einem ‘schneeweißen’ Raben spricht[76], kann er gleichzeitig auch das albedo darstellen (den Übergang von nigredo zu albedo[77]). Das Herz kann tatsächlich das rubedo symbolisieren. MEYRINK stellt deshalb durch zwei symbolische Elemente das ganze alchemische Opus Magnum vor: die Individuation, die Vergeistigung, die Vergöttlichung. Die Morphologie des descensus ad inferos[78] spiegelt sich auch in der Tatsache wider, dass der Held in der Erzählung ‘Das Fieber’ ‘immer weiter ging [...] immer dem Sonnenuntergang zu’[79]. Der Sonnenuntergang bedeutet, wie es ersichtlich war, die Katagenese, die De-Kosmisierung, oder descensus ad inferos, die nächtliche Reise, das alchemische nigredo-putrefactio. UNDERHILL spricht in diesem Zusammenhang von drei Phasen der alchemischen Transformation, in der das prima materia drei Farben annimmt: schwarz, weiss und rot. Diese Farben entsprechen den traditionellen Stadien des mystischen Pfades: Reinigung, Erleuchtung, Vereinigung[80]. So bedeutet nigredo Reinigung, albedo Erleuchtung[81], rubedo Vereinigung[82], d.h. die unsagbare Vereinigung des Begrenzten mit dem Unbegrenzten (siehe das Streben der Romantiker nach der interliminalen Dimension, nach der Interfinität), die Vereinigung des Menschen mit Gott, deren Eregebnis das Magnum Opus, der vergöttlichte oder spirituelle Mensch ist[83] (der Rote Drachen). Rubedo bedeutet also lunar-solare, weiblich-männliche, androgynische Vereinigung-Erleuchtung (siehe BLAKE: Albion, dessen Name einen alchemischen Hinweis enthält - albedo-Erleuchtung -, ist der ursprüngliche Zwitter, und das Drama der Prophetischen Bücher findet in seiner Psyche statt: Spaltung-Schöpfung-Ausdehnung – die drei Prozesse sind simultan; dann finden aufeinanderfolgende Vereinigungen des Weiblichen mit dem Männlichen und zwischen verschiedenen Einheiten statt, und letztlich die Vereinigung der ganzen Schöpfung mit dem göttlichen Licht durch das Aufheben der physischen Sinne und das Öffnen der ewigen Welten). MEYRINK stellt somit durch das Bild des schneeweißen Raben, der ein Herz ausgebrütet, möglicherweise das gesamte Magnum Opus vor (nigredo-albedo-rubedo, siehe UNDERHILL s Klassifizierung). In diesem Sinne sind MEYRINK biblische Worte für die alchemische Interpretation relevant: “Es Schien Das Licht In Der Finsternis, Und Die Finsternisse Haben Es Nicht Begriffen --!”[84] (siehe dazu das Tor zum Phönix aus der gleichnamigen Erzählung[85], das unserer Hinsicht nach das Symbol des rubedo zweifelsohne enthält).

   MEYRINK spricht des Weiteren häufig über Verwesung, und das ist offensichtlich das alchemische Bild des nigredo-putrefactio. KUBIN, auf der anderen Seite, verbindet  das Symbol des Pelikans mit dem Westen des Traumlandes, wo sich das Gebiet der Sümpfe befindet (ein KUBIN’sches Bild für putrefactio), das für ihn eine Versinnbildlichung des descensus ad inferos darstellt (er spricht von den ‘Dämonen des Sumpfes’[86]). Der Archetyp/das Urbild des descensus ad inferos weist aber offensichtlich auf das Christliche Opfer hin. In diesem Zusammenhang ist für die christliche Ikonographie der Pelikan das Symbol des Todes und der Auferstehung Jesu Christi; das KUBINsche Bild des Pelikans ist darum mit dem alchemischen Symbol des Phönix-rubedo verbunden[87]. Nigredo (das descensus ad inferos) bedeutet in diesem Sinne das Ausbrennen des Gefängnisses, d.h. der Ursache des MEYRINK’schen Eingesperrtseins: die Unreinheit der Welt. Nur die Vergeistigung kann diesen Zustand des Eingesperrtseins vernichten, und so dem Geist seine Freiheit wiedergeben (eben was Christus durch seinen Tod und Auferstehung erfüllt hat). Das ist das Ziel des Magnum Opus, und das ist MEYRINKs Hoffnung.

   MEYRINK interessieren fast ausschliesslich archetypische Kategorien: Wiederholung (siehe die Kraft des Mythos zu wiederholen, und die Kraft der Sprache zu wiederholen, so wie DELEUZE aufweist[88]), Nachahmung, Unendlichkeit (siehe die Romantik), Fühllosigkeit[89] (siehe JUNGs Schatten als Archetyp der negativen Persönlichkeit, des ‘Trickster’). So sagt MEYRINK in ‘Bal Macabre’:

Zwischen Sekunde und Sekunde liegt immer eine Grenze, die ist nicht in der Zeit[90], die ist nur gedacht. Das sind so Maschen, wie bei einem Netz [...] und diese Grenzen zusammengezählt sind noch immer keine Zeit, aber wir denken sie doch [...] Und wenn wir nun in diesen Grenzen leben und die Minuten und Sekunden vergessen und nicht mehr wissen, - dann sind wir gestorben, dann leben wir den Tod. [...] Da ist Ruhe, immer Ruhe. [...] Da ist die schweigende Gegenwart, die ihr nicht kennt, da ist kein Früher und kein Später.

Da liegt die schweigende Gegenwart, die ihr nicht kennt! – Das sind die verborgenen Maschen zwischen Sekunde und Sekunde im Netz der Zeit.[91]

   Mit anderen Worten (und von WILBERs Perspektive), die Zeitlichkeit ist nicht ein kontinuierlicher, sondern ein diskontinuierlicher Prozess, deshalb können auch die Phänomene sich entwickeln, deshalb können die Lebewesen physische und geistige Sprünge erleben.

   Der Augenblick, der zur göttlichen Welt führt ist NOVALIS’ blaue Blume. MEYRINK glaubt, es gibt einen solchen Augenblick überall in der zeitlichen Sphäre. So ist die zeitliche Sphäre für die ewige ganz durchdringlich und durchsichtig (das entspricht der christlichen Lehre): das Göttliche kann überall in der physischen Sphäre Fenster zum Himmel öffnen (das scheint auch BLAKEs Meinung zu sein: siehe sein spiritual sensation). Aber die ewige Gegenwart des Überzeitlichen ist in MEYRINKs Beschreibung, wie man bemerken kann, mit dem Tod vergleichbar: es ist natürlich eine negative Darstellung der geistigen Welt. Das ist ein Ausdruck von Meyrinks Relativismus (siehe auch NOVALIS’ Relativismus): die Zeit ist eine psychische Erscheinung, sie hängt vom Beobachter ab: wenn dieser die Zeit vergisst (d.h. wenn er nicht mehr den Zeitverlauf wahrnimmt), so hört sie auf zu existieren.

   Es gibt eine ständige Spannung in MEYRINKs Werk, eine wesentliche Ambivalenz, die sich in der esoterischen Suche stets nach etwas hinter allem Gegenständlichen, hinter dem sprachlich Vermittelbaren[92], widerspiegelt: das ist eine Suche nach der Welt der Archetypen (wie ich bereits gezeigt habe, alle Erscheinungen des Wunderlichen, Seltsamen und Sonderbaren laden in der Romantik zu Einweihungen/Einführungen ein: sie alle sind Schwellenmotive, die metaphysische Erkenntnis versprechen, so dass die ganze romantische Dichtung Übergangsdichtung ist, die einen Hinteren Raum zu erschliessen sucht: die Welt der Archetypen).

   Diese Suche nach etwas hinter allem Gegenständlichen führt im besonderen im Roman Das grüne Gesicht zu einer stets höheren Wachheit:

Von einer Sprosse immer hellern und hellern Wachseins zur andern mußt du steigen, wenn du den Tod überwinden willst, dessen Rüstzeug: Schlaf, Traum und Betäubung sind.[93]

   Das ständige Gewinnen an Wachheit aber, nach TEILHARD DE CHARDINs System, bedeutet auch ein Gewinnen an Komplexität, d.h. an Bewusstsein (‘das Gesetz der Komplexität und des Bewusstseins’, das TEILHARD DE CHARDIN formulierte, und das den Prozess der Entwicklung steuert, beschreibt ein äusserst einfaches Phänomen: ‘je mehr Komplexität es gibt, desto mehr Bewusstsein gibt es’[94]). Die MEYRINK’sche Suche nach höherer Wachheit bedeutet demnach die JUNG’sche Individuation, den Prozess, durch den der Mensch zu immer höheren Bewusstseinszuständen gelangt. Dieser Prozess ist der Weg zum Zentrum, der ‘schwierige Weg’ (das Durohana der Inder)[95], der diskontinuierliche psychische Ablauf, die Einweihung, die Konsekrierung, der Zugang zum Realen, zum Dauerhaften, zum Wirksamen[96]. Wachheit ist für MEYRINK der Schlüssel zum Steuern des Innern und zur Wahrheit:

Der Schlüssel zur Macht über die innere Natur ist verrostet seit der Sintflut. Er heisst: - - Wach sein.

Wach sein ist alles[97]; Es gibt nur ein wahres Wachsein.[98]

   Das ist ein unendlicher Prozess:

   Das ist der erste zögernde Schritt zu einer langen, langen Wanderung von Knechttum zu Allmacht.

Auf diese Art geh vorwärts von Aufwachen zu Aufwachen [...] Lies die heiligen Schriften der Völker der Erde: durch alle zieht sich wie ein roter Faden die verborgene Lehre vom Wachsein; - es ist die Himmelsleiter Jakobs, der mit dem Engel des Herrn die ganze “Nacht” gerungen hat, bis es “Tag” wurde und er den Sieg gewann.[99]

   In dieser Hinsicht ist MEYRINKs und BLAKEs Denken gleichartig; BLAKE ausserdem verwendet das Bild der Himmelsleiter Jakobs als Bild der Golgonooza (das der ganzen Schöpfung selbst). So bedeutet das Reale von BLAKEs und MEYRINKs Perspektive Wachsein, das unendliche Wachsen des Bewusstseins, oder, in JUNG’scher Terminologie, die endlose Individuation-Assimilierung des kollektiven Unbewussten.

   Wachheit ist demnach der Schlüssel zur Welt der transzendentalen und immanenten Archetypen. Nur durch Wachheit kann der Mensch Zugang zur göttlichen Welt gewinnen: ‘In Wahrheit unsterblich ist nur der erwachte Mensch’[100]. Aber MEYRINK definiert die Menschen als ‘schlafende Götter’.[101] BLAKEs Anschauung ist identisch: Albion, der ursprüngliche Mensch ist der Schlafende auf dem Felsen der Ewigkeit:

Awake, thou sleeper on the Rock of Eternity! Albion awake!

The trumpet of Judgment hath twice sounded: all Nations are awake,

But thou art still heavy and dull. Awake, Albion awake!

Lo, Orc arises on the Atlantic. Lo, his blood and fire

Glow on America’s shore. Albion turns upon his Couch:

He listens to the sounds of War, astonishd and confounded:

He weeps into the Atlantic deep, yet still in dismal dreams

Unwaken’d [...].[102]

   Der Urmensch wird somit nach dem Sündenfall zu einem schlafenden Gott.

   Das Schlafen bedeutet für MEYRINK (wie für BLAKE) das Eingesperrtsein in der Welt des Unbewussten, ohne dass das Bewusstsein die Möglichkeit haben könne, die Inhalte dieses Unbewussten zu assimilieren (wie es im Prozess der Individuation der Fall ist[103]). Deswegen ist das MEYRINK’sche Weltbild das Bild einer vergitterten Welt[104]:

Die Träumenden [...] sehen durch die Maschen eine vergitterte Welt, - sie erblicken nur irreführende Ausschnitte, richten ihr Handeln darnach ein und wissen nicht, dass diese Bilder bloß sinnloses Stückwerk eines gewaltigen Ganzen sind.[105]

   Die Idee des gewaltigen Ganzen gehört freilich der Lehre von der Grossen Kette des Seins, und ist die Hauptquelle der holonischen Theorie. Das Bild der vergitterten Welt findet man auch bei BLAKE im berühmten Bild des mind-forg’d manacles:

In every cry of every Man,

In every Infant’s cry of fear,

In every voice, in every ban,

The mind-forg'd manacles I hear.[106]

   Die Erde, mit anderen Worten, ist vergittert, weil der Mensch sie mit seinem Geist, der seinen Körper steuert, vergittert hat; die Ketten der Materie sind die Ketten des Geistes. So kann sich der Mensch befreien, nur wenn er die psychischen Ketten losreisst. In diesem Zusammenhang zeigt MEYRINK, dass das Paradies kein Ort ist, sondern ein Zustand:

Natürlich ist das Paradies kein Ort, sondern ein Zustand; das Leben auf Erden ist doch auch nur ein Zustand.[107]

   So sind MEYRINKs und BLAKEs Denksysteme isomorph und archetypisch.

   Gott ist für MEYRINK auch nur ein Zustand, den der Mensch erreichen muss:

Was der Fromme für Gott hält, ist nur ein Zustand, den er erreichen könnte, wenn er fähig wäre, an sich selbst zu glauben.[108]

   Die Götter sind also, wie im Jung’schen System, psychische Kräfte oder Zustände. Die Götter sind also die Prinzipien, die vom Bewusstsein assimiliert werden müssen, wenn der Mensch seine selbst geschaffenen Ketten losreissen will, wenn er die BLAKE’schen mind-forg'd manacles entzweibrechen will.

   In diesem Sinne ist MEYRINK (so wie BLAKE), wie KALKA bemerkt, ein Meister des Zerreissens von Realitätsgefügen, des Öffnens von Spalten und Rissen mit ihren subversiven Perspektiven[109]. Dieser Raum des Öffnens von Spalten und Rissen ist eben der Raum der psychischen Entwicklung, der ontischen Sprünge (siehe WILBER; LASZLO, PRIGOGINE, usw.). Wenn er in den Romanen am Ende die Welt wieder in der Ewigkeit zusammenfügen will, endet die Phantastik: da beginnt die Offenbarung eines esoterischen Weges der Verwandlung[110]. Diese Verwandlung-Individuation entspricht der zeitgenössischen Philosophie des ‘gesteigerten Lebens’ und der Kultivierung des Nicht-Alltäglichen in der Literatur[111].

   In diesem Sinne spiegelt der gespenstische Handlungsraum des Prager Ghettos den Menschen in der ontischen Krise wider: das ist der Ort der Angst und der existentiellen Bedrohung, beherrscht von Hass und latenter Aggression (primitive menschliche Eigenschaften), das ist das verschlingende Inferno heilloser Menschenverachtung, die existentielle Sackgasse, die Welt des Zwielichtes und der dämmernden Schatten[112], die Sphäre der Negativität, der chthonischen, lunaren Kräfte. So ist der Golem eine Art Hohlform, eine Verkörperung des Unfertigen[113] (siehe die Natur des JUNG’schen Schattenarchetyps als Persönlichkeitskomponente: jene Eigenschaften und Fähigkeiten, die verdrängt wurden, oder einfach unentwickelt blieben), und gleichzeitig eine Herausforderung, sich auf die eigentliche humane Identität zu besinnen, deren Vollendung die Überwindung des Golems voraussetzt (der Prozess der JUNGschen Individuation setzt auch die Überwindung des Schattens voraus: das bedeutet die Assimilierung der Inhalte des kollektiven und des persönlichen Unbewussten). So ist der MEYRINK’sche Golem eine amorphe Erscheinungsweise, eine gespenstische Figuration der Identitätsängste. Das Ghetto ist in diesem Zusammenhang, nach RUTHNER, die räumliche Krisenchiffre für die Situation des modernen Menschen; die MEYRINKsche phantastische Szenerie ist aber eklektisch: sie enthält Elemente aus der Kabbala, der Alchemie, der ägyptischen Mythologie, usw[114]. Athanasius Pernath ist somit MEYRINKs Demonstrationsfigur einer exemplarischen Erlösungsgeschichte. Die Rückgewinnung von Pernaths lebensgeschichtlichen Einheit führt zu seiner Wiedergeburt und in die Athanasie, d.h. Unsterblichkeit: am Anfang seines Weges steht der Golem (der Archetyp des Schattens) als unvollendete Hohlform und am Ende der gekrönte Hermaphrodit[115] als Erlösungsfigur, in der sich Weibliches und Männliches harmonisch vollenden[116]. Die Individuation bei MEYRINK bedeutet also die Verschmelzung des individuellen Menschen mit dem universellen Sein, und dadurch wird das unvollkommene Bild (der Golem) wieder eins mit seinem kosmischen Urbild[117] (das Archetyp des Lichtes): der Schatten (das Lunare, das Chthonische, das Negative) wird vom Bewusstsein (das Licht, das Solare, das Uranische, das Positive) assimiliert. Das entspricht der kabbalistischen Lehre von der Einheit des Mikro- und Makrokosmos[118]. Der Mensch als Mikrokosmos ist eins mit dem Weltall; das ist die Theorie der Entsprechungen, die man nicht nur im kabbalistischen Denken trifft: sie ist fundamental eben auch für das organische Denksystem der Romantiker.

   Es gibt, nach MEYRINK, magnetische Strömungen, die den einzelnen Menschen mit dem Weltall verbinden:

Das Leben des Menschen [...] setzt sich aus mehreren magnetischen Strömungen zusammen, die teils innerhalb, teils außerhalb des Körpers kreisen.[119]

   So ist MEYRINKs Denken mit dem organischen Denksystem der Romantiker eng verbunden.

   Im Roman Der Golem ist das Endziel des Weges ein rechteckiger Bau aus gelbem Stein, wo Osiris mit dem Kopf eines Hasen auftaucht. Osiris aber, wie Jung bemerkt, hat nie einen Hasenkopf in der ägyptischen Tradition gehabt; das musste MEYRINK erfunden haben, und dabei ist es vielleicht wichtig zu erwähnen, dass Set in derselben Tradition, der der Widersacher von Osiris ist, einen Tierkopf mit langen Ohren trägt (Set ist der ägyptische Teufel, der einen Hasenkopf, Eselkopf oder den Kopf eines Okapi, einer Art Antilope von Kongogebiet, hat[120]). MEYRINK kann deshalb dadurch (durch das Bild des Osiris mit dem Kopf eines Hasen) ein ambivalentes Symbol darstellen wollen: die Vereinigung des Lichtprinzips und des Prinzips der Dunkelheit im Bild des gekrönten Hermaphroditen, das eine Erlösungsfigur darstellt, in der sich Weibliches (das Chthonische-Nächtliche-Irdische-Unbewusste) und Männliches (das Uranische-Solare-Himmlische-Bewusste) harmonisch vollenden. BLAKE selbst spricht in Milton und Jerusalem von dem ‘Female-male’ und der ‘Male-female’[121], welche Vorbilder (diese sind trotzdem, wegen des spirituellen Falles, missgestaltete Vorbilder) des individuierten Menschen androgynischer Natur sind (siehe JUNG: Anima ist die Frau im Manne, und Animus der innere Mann in der Frau[122]).

   Mirjam erklärt dem Herrn Pernath die Natur dieser Transformation:

Also, wenn ich sage, ich muß doch einmal heiraten, so meine ich damit [...] Es gehört mit zu meinen Träumen [...] mir vorzustellen, daß es ein Endziel sei, wenn zwei Wesen zu einem verschmelzen – zu dem, was -- haben Sie nie von dem ägyptischen Osiriskult gehört? – zu dem verschmelzen, was der “Hermaphrodit” als Symbol bedeuten mag [...] Ich meine: Die magische Vereinigung von Männlich und Weiblich im Menschengeschlecht zu einem Halbgott. Als Endziel! – Nein, nicht als Endziel, als Beginn eines neuen Weges, der ewig ist – kein Ende hat.[123]

   Man kann freilich in dieser Anschauung von Meyrink das romantische Programm der unendlichen Fülle in unendlicher Einheit wiederfinden.

   JUNG zeigt in diesem Zusammenhang, die Juden haben einen Eselkopf in Jerusalem angebetet und sie widersetzten sich der Anbetung des Osiris; so verehrten sie dessen Widersacher, Set. Isis und Horus (Horus ist der Sohn von Isis und Osiris), auf der anderen Seite, sind als Vorläufer von Maria und Christus erwähnt[124], darum spielen die ägyptischen Elemente in der MEYRINKschen Symbolik letztendlich die Funktion einer christlichen Epiphanie (das Bild von Osiris am Ende des Romans deutet auf die christliche Vergöttlichung-Individuation hin).

   Die Vereinigung des Mikro- und Makrokosmos (bzw. des Bewussten und Unbewussten) wird bei MEYRINK im Golem auch durch eine berühmte Episode symbolisiert: der Held dieses Romans setzt nähmlich statt des seinigen einen fremden Hut (den des Athanasius Pernath) auf, und so, wie JUNG gezeigt hat, wird er in ein fremdes, phantastisches Erleben versetzt, in das ihn das Unbewusste verstrickt. Der fremde Hut verleiht ihm (dem MEYRINKschen Träumer) nähmlich die fremde Natur des Menschen, dem der Hut eigentlich gehört (d.h.Athanasius Pernath), da der Hut wie eine Obervorstellung ist, die die ganze Persönlichkeit eines Menschen enthält, und genauso wie die Krönung dem Herrscher die göttliche Sonnennatur erteilt und der Doktorhut dem Doktor die Gelehrtenwürde, so wirkt diese Hutumtauschung wie ein Hervortreten des Unbewussten. Das Unbewusste steht nähmlich wie ein Schatten mit seinen Figuren hinter ihm, und drängt in das Bewusstsein (siehe JUNGs Beschreibung der Individuation). Dieser Hut aber ist ein Hut eines Athanasius, d.h. eines Unsterblichen, eines Zeitlosen, eines allgemeingültigen, archetypischen, immer existierenden Menschen, der sich vom einmaligen Individuum unterscheidet. Der Hut, der den Kopf umfängt ist rund wie der Sonnenkreis der Krone, und das ist, nach Jung, eine Anspielung aufs Mandala, und somit auf eine unvergängliche Dauer, die dem Helden eben durch die Mandalanatur des Hutes erteilt wird[125]: das ist seine Individuation, seine Vergöttlichung.

   Der Weg der Individuation ist aber ein schwieriger (siehe das Durohana der Inder), und es ist interessant zu bemerken, was JUNG unterstreicht: dem Helden des Romans Der Golem von MEYRINK bot das Gespenst [d.h. der Golem, das kollektive Unbewusste; MEYRINK selbst spricht von dem Gespenst als von dem ‘Symbol der Massenseele’[126]; “Meschliche Antlitze zogen in langen Reihen an mir vorüber [...] mein eigenes Geschlecht, meine eigenen Vorfahren [...] durch Jahrhunderte heran, bis die Züge mir bekannter und bekannter wurden und in ein letztes Gesicht zusammenflossen: das Gesicht des Golem, mit dem die Kette meiner Ahnen abbrach”[127]; so ist der Golem die archetyische Kristallisierung der Epochen und des Zeitgeistes, er ist das kollektive Unbewusste] eine Handvoll Körner an, die er aber verwarf: JUNG erklärt in diesem Zusammenhang, dass der Stein (lapis) schwer zu finden ist, weil er ‘exilis’ unansehnlich ist [die Körner scheinen keinen Wert zu haben, aber die sind eben die Manifestierung einer Epiphanie, des philosophischen Steines (Lapis); siehe die Analyse auf alchemischer Ebene], weil er ‘in via eiectus invenitur’, weil er das Billigste ist, das überall vorkommt, ‘in planitie, in montibus et aquis’[128]. Damit will JUNG bemerken, dass MEYRINKs Roman ein alchemischer ist; unserer Hinsicht nach, entspricht das der Wahrheit, wie es weiter noch ersichtlich sein wird. Diese chiffrierten Inhalte, die Jung entdeckt hat, bedeuten eben die Manifestierung der ‘anderen Seite’, d.h. der psychischen unsichtbaren Prozesse: der dynamischen Welt der Archetypen, der Welt des Thesaurus   Intelligibilium. Diese andere Seite, die im vorliegenden Papier analysiert wird, so wie sie mit den Augen eines  KUBIN, MEYRINKBLAKE oder NOVALIS gesehen wird, ist für die oben erwähnten Autoren, nach JUNG, die intuitive Funktion als Lebensträgerin[129] (die ontische Funktion des kollektiven Unbewussten ist, nach JUNG, die folgende:  das Unbewusste ist die Matrix der Zukunft, die Gebärmutter aller Schöpfung). Diese andere Seite des Intrapsychischen ist darum immer phantastisch, da dort immer die diskreten psychischen-geistigen Phänomene stattfinden; das ist die Sphäre des paradoxen Differenzierten-Einheitlichen, des geistig Monistisch-Unterschiedlichen, die Sphäre der Unitotalität. Aber MEYRINK, wie JUNG, glaubt, dass das Archetypische an sich eigentlich sehr einfach ist: es kann durch die einfachen Zahlen ausgedrückt werden. Hier sind MEYRINKs eigene Worte:

[D]as letzte fehlende Glied in der Kette: Mathematische, rein gedankliche Größen die Achsen des Weltalls!

Kein Rest, kein Kern mehr, um den sich die Eigenschaften scharen, bloß Gleichgewichtgebärende Zahlen; - und ihr Verhältnis zueinander allein des Lebens einzige Wurzel[130].

   Je tiefer man auf holarchische Ebene absteigt, desto mehr nähert man sich den ‘Bausteinen’ der Wirklichkeit, welche die Pythagoreer, aber auch JUNG, GÖDEL und CANTOR, wie es ersichtlich ist, MEYRINK, mit den Zahlen identifizierten. CANTOR, wie GÖDEL, glaubte, die Zahlen sind Gottes Bausteine[131]. HEISENBERG  und JEANS, auf der anderen Seite, glaubten auch, wie MEYRINK, die höchsten Bausteine des Universums sind mathematische Formen (MEYRINKs Mathematische, rein gedankliche Größen als Achsen des Weltalls), die nur den Augen des Verstandes sichtbar sind; diese sind natürlich mit den Formen der Vernunft oder den Ideen (als grossen Mustern, auf denen die ganze Welt der Erscheinung ruht) PLATOs und PHYTAGORAS’ vergleichbar. WILBER fasst die archetypische Hypothese wie folgt zusammen: die physische Welt wird als Reduktion oder Kondensierung der grossen psychischen Formen, die sich jenseits der Sinneswahrnehmung befinden, betrachtet; diese Formen enthalten in potentia alle möglichen Welten[132]. MEYRINKs Denksystem deswegen schliesst die archetypische Hypothese zweifellos ein, und dadurch seine romantische Tendenz beweist.

   Diese Hypothese spiegelt sich auch in der Tatsache wider, dass der Held im Roman Der Golem eine Reihe von Visionen hat und sein Bewusstsein verliert, da er in die bodenlose Tiefe des Unbewussten stürtzt[133], und dadurch unbekannte mnemische Inhalte aus dem kollektiven Unbewussten aktiviert (er sieht Figuren, die einen Kreis um ihn bilden und goldene Hieroglyphen auf der Brust tragen; das ist ein magischer Kreis, den JUNG als Individuation deutet[134]; JUNG glaubt, die erwähnten Körner, die der Held ablehnt, sind er selbst, deshalb kommen sie auf ihn zu, und um ihn einen magischen Kreis bilden). So ist Der Golem, nach Jung, ein Versuch, sich mit Figuren des kollektiven Unbewussten auseinanderzusetzen: Mirjam, eine Jüdin, ist die Animafigur; Hillel, ihr Vater, ein alter Kabbalist, ist das typische Bild des weisen Alten (der weise Alte steht oft physisch oder spirituell in einer vaterähnlichen Beziehung zur Anima); der Golem ist das furchterregende Ding, das Negative-Numinose (sehr ambivalent); Athanasius Pernath ist eine geheimnisvolle Figur, die merkwürdige Gestalt, die zu Beginn als Liebhaber von Mirjam auftaucht, und für die sich auch der Held der Geschichte interessiert; durch den Hut gelangen die Phantasien und Ideen von Athanasius, dem Unsterblichen, in seinen Kopf; Athanasius ist, nach JUNG, der unsterbliche Anteil des Helden[135], das Zentrum, das Mandala, der ‘Diamantkörper’ (‘der Funke des ewigen Feuers’), der ‘Seefalke’, Nous, der unsterbliche Weltgeist, der vom Himmel ins Meer hinabstieg, durch den alles entstanden ist. So ist der Mensch in der Meyrink’schen Weltanschauung ein chaotisches Meer, in das ein göttlicher Funke fällt[136].

   Der Golem ist eine völlig negative Figur, der totale Schatten des Unsterblichen. Er begann in der jüdischen Tradition als ein Klumpen Ton, und wurde durch Magie zum Leben erweckt, indem man den heiligen Namen auf seine Stirn schrieb; so ist der Golem ein lebendiges Geschöpf, das keine Seele hat, ein Mechanismus, der nur dadurch getötet werden kann, dass man den Namen auslöscht. MEYRINK benutzt ihn als Personifizierung des schrecklichen Ungemachs, das den Helden durch seine Visionen befällt[137] (jede religiöse Einweihung setzt Risiken und Gefahren voraus; die tibetanische Initiation gèod, von der Mircea Eliade spricht[138], stellt in diesem Sinne das extremste Beispiel dar; siehe auch bei BLAKE die Monster der Tiefe, monsters of the deep, und die Gespenster, Spectres, die negative psychische Entitäten sind). Am Ende der Geschichte hat der Held im Roman Der Golem eine Art klärende Vision. Nach vielen Abenteuern (diese entsprechen dem romantischen Weg der Initiation: sie stellen die Individuation dar) kommt er zum Haus, wo Hillel und Mirjam leben wollen (ein schlichtes, weisses Haus in einem Garten mit einem Holzgitter davor) und, wie oben erwähnt, findet hier ein versperrtes Tor, das das Bild des Hermaphroditen trägt. JUNG meint, dieses Bild könnte Gott selbst sein (siehe auch KUBIN), da die Mystiker immer Gott als zugleich männlich und weiblich darstellen. Athanasius-der Unsterbliche und Mirjam sind im Traum des Helden praktisch eine Figur, sie sind zussammengezogen; so gibt es zu Ende der Geschichte, wie JUNG unterstreicht, zwei männliche Figuren und eine weibliche: diese symbolisieren die Idee der Dreieinigkeit[139] (der Held, Athanasius Pernath und Mirjam; siehe auch BLAKEs Dreieinigkeit: Urthona-der unsterbliche Sohn Gottes; dieser wird Los-Zeit, der vorzügliche Held, etwa wie der MEYRINKsche Held, der alles durchstehen muss, um völlig individuiert zu werden; Tharmas, der geheimnisvolle Unsterbliche, etwa wie Pernath; und Luvah, der Gott der Liebe, der milde Unsterbliche, etwa wie die weibliche Figur Mirjam; Urizen entspricht in diesem Zusammenhang als archetypische Funktion dem Golem). So ist der Hermaphrodit bei MEYRINK ganz eindeutig ein Gott, drei Personen in einer[140].

   Der Weg zu dieser Dreieinigkeit (oder zur Individuation) ist der bereits erwähnte schwierige Weg der Romantiker; nach den Gnostikern ist es in diesem Sinne nicht wichtig, ob der Weg hinauf- oder hinabgeht: ‘Der Weg hinauf und der Weg hinunter ist ein und dasselbe’[141]. Etwas Ähnliches sagt BLAKE: ‘Es fällt wenig ins Gewicht, ob ein Mensch den richtigen Weg einschlägt oder den falschen, so er ihm nur ernsthaft und hingebungsvoll bis ans Ende folgt, denn beide Wege können ihn an sein Ziel führen’[142]. So wählte Meyrink, dem Weg des Golems, des Negativen-Chthonischen, zu folgen, und, in der Tat, das Ende des Weges ist, wie es schon ersichtlich ist, die klärende Vision, die Individuation, die Vergöttlichung des Menschen. Der Erfolg dieser Erfahrung ruht auf dem grundlegenden Glauben MEYRINKs an die Wirklichkeit der geistigen Welt: diese ist nach ihm (wie nach RUDOLF STEINER, mit dem MEYRINK in seinem Haus in Starnberg zusammengetroffen war) so gewiss wie die Wirklichkeit der sinnlichen Welt[143]. Der Weg des Negativen-Chthonischen bedeutet aber auch der Weg des Weiblichen (siehe die äusserst besondere Bedeutung des Weiblichen im romantischen Phänomen), da das Weibliche immer mit der Nacht, dem tief Irdischen und Lunaren verbunden ist. MARZIN bemerkt in diesem Sinne, dass in MEYRINKs Werken (wie im Roman Das grüne Gesicht) die Frauen dem Helden als Katalysator dienen, um eine Stufe höheren Bewusstseins zu erreichen[144] (das ist, anders gesagt, die JUNG’sche Individuation), oder sonst kaum eine Funktion haben. MEYRINK benutzt dabei Geheimlehren, die ihm helfen, eine Überzeitlichkeit anzulegen. So z.B. bemerkt man, wie MARZIN betont, dass MEYRINK das ideale Bild des Menschen als aus einer Dreiheit (die in zehn Sefirot gegliedert ist) bestehendes Geschöpf betrachtet. Der himmlische Mensch (der wie Gott ist) enthält in sich die obere Dreiheit (Intelligenz-Binah, Weisheit-Hochma und Krone-Kether) (ein Beispiel von einem himmlischen Menschen ist Athanasius Pernath: er vollzieht in seinem Leben den Aufstieg von der unteren auf die mittlere und geht bei seinem Tod in die obere Dreiheit ein[145]). Der himmlisch-irdische Mensch (der wie ein Gott-Mensch ist) enthält in sich die mittlere Dreiheit (Gerechtigkeit-Geburah, Liebe-Hesed und Schönheit-Tiphereth) (ein Beispiel von einem himmlisch-irdischen Menschen ist Hillel: er erreicht im irdischen Leben diese mittlere Dreiheit). Der irdisch-himmlische Mensch (der wie ein Mensch-Gott ist) enthält in sich die untere Dreiheit (Pracht-Hod, Festigkeit-Netzah, und Fundament-Yesod) (ein Beispiel von einem irdisch-himmlischen Menschen ist der Held: er strebt immer nach den oberen Dreiheiten, wie die echten Romantiker). So vereinigt sich das in den zehn Sefirot getrennte Prinzip des Männlichen (Pracht-Hod, Gerechtigkeit-Geburah und Intelligenz-Binah; das ist die linke Seite des sephirotischen Baumes), das zur Krone des ideellen Wertes führt, mit dem Prinzip des Weiblichen (Festigkeit-Netzah, Liebe-Hesed und Weisheit-Hochma; das ist die rechte Seite des Baumes der Sefirot), das in der Schönheit seine höchste Vervollkomnung erfährt[146] (das Weibliche ist in diesem Sinne das absolut Schöne). Am Ende des Romans Der Golem entwirft MEYRINK sein Gottesbild:

Das Flügeltor ist der Gott selbst: ein Hermaphrodit aus zwei Hälften, die die Türe bilden: die rechte weiblich, die linke männlich. – Er sitzt auf einem kostbaren, flachen Thron aus Perlmutter [...] und sein goldener Kopf ist der eines Hasen. Die Ohren sind in die Höhe gestellt und dicht aneinander, dass sie aussehen wie die beiden Seiten eines aufgeschlagenen Buches.[147]

   So ist die rechte Seite, wie im Baum der Sefirot, weiblich, und die linke männlich. Gott bedeutet demnach für MEYRINK die höchste coincidentia oppositorum (siehe auch KUBIN).

   MEYRINK benutzt, wie ich bereits bemerkt habe, u.a. die Geheimlehre der Kabbala, um eine Überzeitlichkeit anzulegen, die das Menschliche mit dem Göttlichen verbindet. Prag des 16. Jahrhundert ist auf diese Weise mehr als das des 19. Jahrhunderts; das Judenviertel blieb seit dem Mittelalter fast unverändert, so dass die Menschen als Relikte[148] archetypischer Natur erscheinen: MEYRINK transformiert die Handlung auf höherer Ebene in die Mystik des Mittelalters. In diesem Sinne gibt es im Golem keinen rationalisierten Gottesbegriff: Gott ist ein deus absconditus, ein verborgener, unsichtbarer, geheimer Gott[149].

   So ist der grösste Unterschied zwischen den Arten von Hierophanien, die in der reinen und in der ‘negativen’ Romantik erscheinen, die Tatsache, dass in der negativen Romantik (z.B. eines MEYRINK oder KUBIN) das Bild Gottes das eines deus absconditus ist, d.h. eines Gottes, der zwar immer anwesend ist, der aber nie, oder fast nie, sich in eine ‘sichtbare’ Epiphanie manifestieren lässt. Von der Kabbala übernahm MEYRINK die Lehre vom Menschen als demiurgischem Bestimmter seines eigenen Erlösungsweges[150]; dieses Bild des Menschen als eines Demiurgen weist auf MEYRINKs Verwandtschaft mit den Neuromantikern hin, die auch von solch einem Verständnis des Menschenbildes ausgegangen waren. (Die Schaffung eines künstlichen Menschen – des Golem – ist eine gottgleiche Tat; dadurch wird der Mensch wie Gott; der künstliche Mensch ist aber nicht lebensfähig, so muss in letzter Konsequenz dieser Versuch scheitern; siehe die komplizierte Geschichte des Golem-Schaffens[151]). Es gibt im Roman Der Golem viel Esoterik, aber auch Manierismus: das Doppelgängermotiv (der Golem[152] und Chidher, das grüne Gesicht, als Doppelgänger des schöpferischen Menschen; MARZIN glaubt aber, Chidher Grün habe die Funktion eines deus ex machina, der dem Ingenieur Fortunat Hauberrisser – dem Protagonisten als Abbild des Autors, der das Bild des Suchenden ist – den Weg zur höheren Daseinsebene zeigt[153]) hat manieristische Züge, es ist ein Spiel mit der Dualität der Gestalten, das auf die Natur Gottes als Janus Bifrons[154] hinweist, ein Gott, der die Kraft hat, tief in die Vergangenheit und in die Zukunft hineinzusehen. Die zwei Gesichter des Janus sind eben die Darstellung der Schwelle (siehe die Schwelle als Fundament der Romantik) zwischen der materiellen und der spirituellen Welt, sowie zwischen der Vergangenheit und der Zukunft: in Gott sind die zwei im Paradox der coincidentia oppositorum vereinigt. Hauberrisser im Roman Das grüne Gesicht wird am Ende zu einer Janusgestalt:

Wie ein Januskopf konnte Hauberrisser in die jenseitige Welt und zugleich in die irdische Welt hineinblicken und ihre Einzelheiten und Dinge klar unterscheiden:

er war hüben und drüben

ein lebendiger Mensch.[155]

   Indem der Mensch die Natur Gottes als Janus Bifrons erreicht, hat er Leben in sich: er wird auf diese Weise archetypisch und verewigt. So ist der MEYRINKsche Mensch eine Schwelle zwischen den zwei Welten, die er in sich durch Vergeistigung vereinigt. Im Roman Der Golem erfährt Athanasius Pernath die höchste Stufe der menschlichen Existenz als hermaphroditisches Dasein durch die Vereinigung des männlichen und des weiblichen Prinzips im Baum der Sefirot; dieser Baum der Sefirot wirkt im Menschen wie eine coincidentia oppositorum, so dass, wenn der Mensch diesen Baum (im Jung’schen Sinne) assimiliert, alle Antagonismen aufgehoben werden. Das ist der MEYRINKsche Weg zur Erlösung, zur Vollkommenheit, die Überwindung auch des Geschlechtlichen im Hermaphroditen, im androgynen Dasein, das eine engelgleiche Zustandsform darstellt. In diesem Sinne ist Sephardi im Roman Das grüne Gesicht das Prinzip des kabbalistischen Weges zum Heil, indem er versucht, Eva von Druysen und Hauberrisser zur höheren Existenz zu verbinden. Erst nach Evas Tod ist Hauberrisser in der Lage, seine in der diesseitigen Welt verhaftete Existenz mit Hilfe von Chidher Grün zu überwinden. Hauberrisser wird in diesem Sinne zum Zwitterwesen auf der Ebene des Bewusstseins, da er an zwei Welten (oder Bewusstseinsstufen, -dimensionen; siehe BLAKEs Weltanschauung) Anteil hat[156]. Ebenso erlebt NOVALIS die ‘aufblitzenden Enthusiasmus Momente’ nur am Grabe der Braut (sein Sophienerlebnis): das bedeutet für ihn, wie ich bereits zeigte, Blicke in die transmundane Welt, in den göttlichen Urgrund, in dem die isolierten Einzelkräfte zur liebenden Vereinigung gelangen, und aus dem auch alle lebendige Entfaltung hervorgeht: das ist NOVALIS’ ontischer Grund, in den der Mensch einkehren muss, um aus diesem sich zu erneuern. MARZIN bemerkt in diesem Zusammenhang, dass man auch im Roman Das grüne Gesicht MEYRINKs Schwäche bei der Darstellung von Frauengestalten bemerken kann; diese Tatsache definiert was MARZIN als die ‘maskuline Ausrichtung der Meyrinkschen Esoterik’[157] bezeichnet (siehe etwas Ähnliches auch bei BLAKE: in diesem Fall aber die Ursache ist verschieden: BLAKE benutzt ein Übermass an Männlichkeit, da das Männliche das himmlische-uranische-solare Sakrale darstellt, wobei das Weibliche das irdische-chthonische-lunare Sakrale verkörpert). Die Rolle der Frau ist demnach bei MEYRINK auf eine Hilfsfunktion zur Erhöhung des Mannes reduziert; die Frau verkörpert, wie bei BLAKE den negativen ontischen Pol[158], und sie kann spirituell auch nur durch das Gegengeschlechtliche  erhöht werden. (Das Weibliche wird durch das Männliche erhöht, so wie das Männliche nur durch das Weibliche erhöht werden kann). So ist das MEYRINKsche Menschenbild ein dualistisches und deterministisches: der Mensch steht zwischen zwei sich bekämpfenden Prinzipien (wie in vielen anderen traditionellen religiösen  Systemen) und ist durch die Geschichte determiniert[159]. Das Prinzip des Guten ist oft in MEYRINKs Werken eine Bruderschaft der Wissenden, die die Geschicke der Welt lenken, die das Böse bekämpfen, und den Auserwählten helfen, ihren Weg zu finden. Der Auserwählte ist immer ein Mann, der das Prinzip der Macht (Kraft) repräsentiert, das immer mit der Männlichkeit verbunden ist. Es gibt bei MEYRINK keine Frau, die diesen Weg beschreitet; sie kann bestens dem Manne helfen[160].

   Ich glaube, MEYRINK hat das Bild des Golem verwendet, da er dadurch das Symbol der Unitotalität im Menschen andeuten wollte (siehe NOVALIS’ und BLAKEs ähnliches Menschenbild und die Theorie der Entsprechungen zwischen Mikro- und Makrokosmos: der Makrokosmos ist im Mikrokosmos in abyssal konzentrierter Form enthalten; siehe auch SCHELLINGs Anschauung). In diesem Sinne zeigt SCHOLEM, dass zu Beginn der Schöpfung der Mensch nur als Golem geschaffen wurde, der in sich die Kraft des ganzen Universums enthielt, und dass erst am Ende er beseelt wurde[161]. Der Mensch als Golem somit ist der ursprüngliche, primitive Mensch, der aus rein geistiger Kraft und Lehm gemacht wurde (aus dem besten Kern des Erdmittelpunktes) (Vgl. G. SCHOLEM hebr. ’adama = Erde[162]), und der alle Energien der Schöpfung einschloss. Dieser Mensch ist eine ‘Abbreviatur’ des Ganzen (siehe die Etymologie des Wortes Adam: es ist die Abbreviation der Bestandteile, der Elemente, aus denen der Mensch geschaffen wurde, oder die der Namen der vier Himmelsrichtungen, von denen der Lehm/die Elemente genommen wurde/wurden[163]) (die Orientierungsvierzahl als archetypischer ontischer Grundstruktur ist ein Fundament der Jung’schen Archetypologie), der Mensch ist die Unitotalität (siehe NOVALIS und BLAKE). So wird es ersichtlich, dass MEYRINK durch den Golem die längst verlorene Verbindung mit dem Spirituellen wiedergewinnen will: der Golem ist absichtlich eine ambivalente Figur, die zwar das kollektive Unbewusste darstellt (Hillel, der himmlisch-irdische Mensch, ist dabei, dieses kollektive Unbewusste zu assimilieren; der Held, der irdisch-himmlische Mensch, strebt danach, dieses Assimilieren durchzuführen; und Pernath, der himmlische Mensch, hat das kollektive Unbewusste völlig assimiliert), die aber auch das Bild des Menschen als Unitotalität einschliesst (siehe das Menschenbild in NOVALIS’ und BLAKEs System).

   Es ist deswegen offensichtlich, dass MEYRINKs Werk viele romantische Elemente aufweist, die um das Motiv der Individuation und der spirituellen Wiedergeburt[164] zentriert sind, und die eine besondere Wissenschaft der geistigen Einweihung konstituieren. Das MEYRINKsche Idealbild des Menschen ist das der Unitotalität, der allumfassenden coincidentia oppositorum. Das ist in nuce MEYRINKs ideales, theomorphisches Menschenbild: Gottesbild und ideales Menschenbild sind in MEYRINKs System isomorph.

 

Literatur:

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53.  M. Wünsch, Die Fantastische Literatur der Frühen Moderne (1890-1930), Definition. Denkgeschichtlicher Kontext, Strukturen, München, Fink, 1991.
 


*) Vorliegender Text ist die erweiterte Fassung eines auf dem VI. Kongreß der Germanisten Rumäniens, Sibiu/Her-mannstadt, 26.-29. Mai 2003, gehaltenen Vortrags.

[1] Im vorliegenden Beitrag hebe ich viele Elemente hervor, die den Vergleich zwischen Meyrink und Blake (und den visionären Romantikern im allgemeinen; ebenso zwischen Kubin und Blake usw.) als berechtigt erscheinen lassen.

[2] C.G. Jung 1950, apud Dr. Eduard Frank 1957, S. 17-18.

[3] Gustav Meyrink, Das grüne Gesicht, S. 259. Das ist offensichtlich eine romantische Weltanschauung (siehe Blake, Novalis, Coleridge, Wordsworth, Hölderlin, usw.).

[4] Gustav Meyrink, Der Golem, S. 80. Diese Welt der Ideen bezeichnet Meyrink als das Reich der Form (Gustav Meyrink 1992, ‘Der Albino’, S. 297).

[5] Gustav Meyrink, Das grüne Gesicht, S. 120.

[6] Gustav Meyrink 1992, ‘Die Weisheit des Brahmanen’, S. 111.

[7] Gustav Meyrink, Das grüne Gesicht, S. 130.

[8] Das ist zweifelsohne eine romantische Weltanschauung (siehe z.B. Hölderlin und Novalis).

[9] Gustav Meyrink, Der Golem, S. 84.

[10] Siehe Blakes Technik des Eingravierens, durch die er eine Ontologie der Linie entwickelt hat. Die Linie in dieser Ontologie ist der Raum der Differenziertheit (das ist die Meyrinksche feine, kaum sichtbare Schrift, die in unserem Körper eingraviert ist), durch den die Schöpfung erst möglich ist. Diese physische-psychische Linie konstituiert was Blake als die goldene Regel der Kunst und des Lebens bezeichnet: ‘The great and golden rule of art, as well as of life, is this: That the more distinct, sharp and wirey the bounding line, the more perfect the work of art; and the less keen and sharp, the greater is the evidence of weak imitation, plagiarism, and bungling. Great inventors, in all ages, knew this: Protogenes and Apelles knew each other by this line. Rafael and Michael Angelo, and Albert Dürer, are known by this and this alone. The want of this determinate and bounding form evidences the want of idea in the artist's mind, and the pretence of the plagiary in all its branches. How do we distinguish the oak from the beech, the horse from the ox, but by the bounding outline? How do we distinguish one face or countenance from another, but by the bounding line and its infinite inflexions and movements? What is it that builds a house and plants a garden, but the definite and determinate? What is it that distinguishes honesty from knavery, but the hard and wirey line of rectitude and certainty in the actions and intentions. Leave out this line and you leave out life itself; all is chaos again, and the line of the almighty must be drawn out upon it before man or beast can exist. Talk no more then of Correggio, or Rembrandt, or any other of those plagiaries of Venice or Flanders. They were but the lame imitators of lines drawn by their predecessors, and their works prove themselves contemptible dis-arranged imitations and blundering misapplied copies’ (William Blake 1979, A Descriptive Catalogue, Number XV, Ruth. – A Drawing, S. 585). So ist Blakes ontische Linie Meyrinks archetypische Schrift, die Gott in unserem Körper eingraviert hat.

[11] Oder Individuation, Vergöttlichung, Vervollkommnung, usw.

[12] Gustav Meyrink, Der Golem, S. 247-248. Die gleichen Thesen hat Joseph Campbell vorgeschla-gen und wissenschaftlich erwiesen.

[13] William Blake 1979, Milton, 1, 26, 25, S. 512.

[14] William Blake 1979, Milton, 1, 26, 31-33, S. 512.

[15] Gustav Meyrink, Das grüne Gesicht, S. 193.

[16] Ebd., S. 194.

[17] Edward Larrissy 1999, S. 66.

[18] Ralf Reiter, ‘Das dämonische Diesseits, Phantastische Erzählen in den Romanen Walpurgisnacht und Der weiße Dominikaner von Gustav Meyrink’, S. 8.

[19] Ebd., S. 18-19.

[20] Vgl. M. Wünsch 1991, S. 72.

[21] Ebd., S. 82.

[22] Ralf Reiter, ‘Das dämonische Diesseits’, S. 22-25.

[23] ‘Interconnectedness or “weblike” nature of all life’, Ken Wilber 1995, S. 6; ‘The world is arranged holarchically, precisely because it contains fields within fields within fields’, Ken Wilber 1995, S. 22..

[24] Evelyn Konieczny, ‘Figuren und Funktionen des Bösen im Werk von Gustav Meyrink’, S. 81.

[25] Francis E. Peters 1997, S. 37. Die Atomisten sprechen von einer mechanischen Notwendigkeit, die rein physische Ursachen hat; diese entfaltet sich ohne ein gewisses Ziel (telos). Für Sokrates und Plato hat Ananke eine wichtige Rolle in der Entstehungsgeschichte des Kosmos. Aber die Vernunft (Nous, Demiourgos, die göttliche Ursache, theion) überwältigt die physische Notwendigkeit (Vgl. Timaios, 47e-48a). Aristoteles, auf der anderen Seite, zeigt, dass Ananke als physische Notwendigkeit eigentlich nicht von Nous, sondern vielmehr vom Telos (dem Zweck) gesteuert wird. Man kann in dieser Hinsicht sagen, Parmenides (für diesen wird alles von Ananke bewegt) und Aristoteles beeinflussten Meyrink.

[26] Ilya Prigogine 1997, S. 19.

[27] Günther Kunert 1982, S. 26, apud Evelyn Konieczny, ‘Figuren und Funktionen des Bösen im Werk von Gustav Meyrink’, S. 81.

[28] Vgl. Richard M. Gray 1996, S. 204-205.

[29] Evelyn Konieczny, ‘Figuren und Funktionen des Bösen im Werk von Gustav Meyrink’, S. 82.

[30] Gustav Meyrink, Der Engel vom westlichen Fenster.

[31] Kenneth McLeish 1994, S. 43; dieser spricht von den folgenden, für das menschliche Leben fundamentalen, Archetypen: das Held (the Hero), der Verwaiste (the Orphan), der Reisende (the Wanderer), der Krieger (the Warrior), der Märtyrer (the Martyr), und der Zauberer (the Magician).

[32] Ralf Reiter, ‘Das dämonische Diesseits’, S. 32.

[33] Siehe Cersowsky, Dagmar Fischer, Heidemarie Oehm, apud Ralf Reiter, ‘Das dämonische Diesseits’, S. 32.

[34] Vgl. Marco Frenschkowski 1995, S. 135.

[35] Lothar Pikulik 1993, S. 15.

[36] Ralf Reiter, ‘Das dämonische Diesseits’, S. 33-34.

[37] Ebd., S. 34. Deswegen analysiere ich im vorliegenden Papier hauptsächlich den Inhalt dieser zwei Romane (Der Golem und Das grüne Gesicht), die als Schlüsseltexte der deutschsprachigen Phantastik betrachtet werden (apud Marco Frenschkowski 1995, S. 127).

[38] Evelyn Konieczny, ‘Figuren und Funktionen des Bösen im Werk von Gustav Meyrink’, S. 34.

[39] Ebd., S. 41.

[40] Ebd., S. 75.

[41] Ebd., S. 77. Dieses Phänomen ist wichtig auch bei Blake und Hölderlin z.B., und weniger bei Novalis (siehe die berühmte hölderlinische Dürftigkeit als metaphysischer Mangel).

[42] Ebd., S. 79.

[43] Ralf Reiter, ‘Das dämonische Diesseits’, S. 37.

[44] Ebd.

[45] Ebd., S. 38.

[46] Ebd., S. 104.

[47] Joachim Kalka, ‘Das Unheimliche des Erzählens, Gustav Meyrink zwischen Okkultismus, Satire und Kolportage’, S. 112.

[48] Marco Frenschkowski 1995, S. 130. Der Golem und Das grüne Gesicht sind, nach Frenschkowski, wie ich bereits bemerkt habe, die zwei Schlüsseltexte der ganzen deutschen Phantastik (Ebd., S. 126).

[49] Siehe Gustav Meyrink 1992, ‘Der Buddha ist meine Zuflucht’ und ‘Das ganze Sein ist flammend Leid’, S. 102-107, bzw. S. 208-213; hier findet man eine Art Glaubensbekenntnis Meyrinks, was das Problem des Leides anbetrifft.

[50] Marco Frenschkowski 1995, S. 133.

[51] Ebd., S. 134.

[52] Ebd., S. 139.

[53] Siehe bei Blake die Fragmentierung in der Schöpfung (division), die durch Urizen und die Gespenster (Spectres) durchgeführt wird. Diese Fragmentierung weist auf die Unvereinbarkeit von Materie und Geist hin, da Urizen nach dem Fall der Herrscher der Wässer des Materialismus ist.

[54] Marco Frenschkowski 1995, S. 144.

[55] Vgl. Meyrinkiana-Sammlung der Beyerischen Staatsbibliothek in München.

[56] Gustav Meyrink, Der Golem, S. 115.

[57] Siehe in diesem Sinne Blake: ‘those beautiful proportions / Of life & person; for as the Person, so is his life proportion’d’ (William Blake 1979, The Four Zoas, IX, 140-141, S. 360).

[58] Gustav Meyrink, Der Golem, S. 161.

[59] Julia Rennert spricht von der ‘prometheischen Frau’ bei Blake, d.h. die Seele Amerikas (Julia C. Rennert 1995, S. 137), die Versinnbildlichung des Strebens nach der Freiheit des Geistes, Jerusalem (spirituelle Freiheit).

[60] Marco Frenschkowski 1995, S. 142.

[61] Gustav Meyrink, Der Golem, S. 222-223.

[62] Marco Frenschkowski 1995, S. 138.

[63] Ebd., S. 139.

[64] Das kollektive Unbewusste scheint auch eben in Meyrinks kreativer Tätigkeit operiert zu haben (auch wenn er manche Informationen übernahm und überhaupt nicht wusste, was sie bedeuteten). So hatte Gerschom Scholem Meyrink besucht, und Meyrink sagte ihm das folgende: ‘Ich habe das zwar geschrieben, weiss aber nicht, was es bedeutet. Vielleicht können Sie es mir erklären’; deswegen spricht Scholem von Meyrinks ‘Pseudokabbala’ (Gerschom Scholem 1977-1994, S. 163-166, apud Marco Frenschkowski 1995, S. 151). Meyrink fragte Scholem auch: ‘Wissen Sie, wo Gott wohnt?’, und Scholem antwortete: darauf ‘ [...] wo man ihn hereinlässt’. Das war Meyrink neu, und so kam er zu seiner ersten Bekanntschaft mit dem berühmten Yogawerk The Serpent Power von Sir John Woodroffe alias Richard Avalon, von dem Meyrink wahrscheinlich das einzige Exemplar in Deutschland besass (Vgl. Gerschom Scholem, 1977-1994, S. 169 ff., apud Joachim Kalka, ‘Das Unheimliche des Erzählens, Gustav Meyrink zwischen Okkultismus, Satire und Kolportage’, S. 113).

[65] Marco Frenschkowski 1995, S. 143.

[66] Ebd., S. 143-144.

[67] Ebd., S. 151.

[68] Gustav Meyrink 1992, ‘Der Saturnring’, S. 90.

[69] ‘Falling, falling, Los fell & fell, /Sunk precipitant, heavy, down, down, / Times on times, night on night, day on day -’. (William Blake 1979, The Book of Los, II, 5, 27-29, S. 258). Das ist ein kosmogonisches Fallen.

‘Down from the dismal North the Prince in thunders & thick clouds– / As when the thunderbolt down falleth on the appointed place– / Fell down, down rushing, ruining, thundering, shuddering, / Into the Caverns of the Grave & places of Human Seed / Where the impressions of Despair & Hope enroot forever: / A world of Darkness.’ (William Blake 1979, The Four Zoas, III, 139-144, S. 295). Das ist das psychische-energetische Bild des Sündenfalles.

‘Then fell the Legions of Mystery in madd’ning confusion, / Down, down thro’ the immense, with outcry, fury & despair, / Into the wine presses of Luvah; howling fell the clusters / Of human families thro’ the deep’. (William Blake 1979, The Four Zoas, IX, 722-725, S. 376). Das ist das Bild der Reinigung, wie bei Meyrink: das alchemische nigredo (‘the wine presses of Luvah’ stellen das ontische Filter, anhand dessen die Reinigung verwirklicht werden kan). Blakes Emphase ‘down, down’, wie Meyrinks ‘immer tiefer hinab und hinab’, unterstreicht die katagenetische Dimension des nigredo-putrefactio als eines ontischen Reinigungsprozesses.

[70] H. Khunrath 1602, apud Alexander Roob 1997, S. 115.

[71] William Blake 1979, Jerusalem, 11.

[72] Friedrich Hiebel 1951, S. 139.

[73] Meyrinkiana IV, S. 20, apud Manfred Lube 1980, S. 204. Lube zeigt, das Rad des Pfauen war im Glauben der Völker (Vgl. Bächtold-Stäubli, Sp. 1568-70) ein Bild des gestirnten Firmaments, in der christlichen Kirche das Sinnbild der Unsterblichkeit. Diesen Pfau aber wollte Meyrink auch als Alchemistensymbol verstanden wissen (Manfred Lube 1980, S. 205). Nach Khunrath bedeutet der Pfau das alchemische cauda pavonis, die Phase der scheinenden Farben, d.h. die Phase nach der Reinigung und Erleuchtung, und eben vor der grossen Vereinigung mit der Gottheit. Diese Phase der alchemischen Transformation versteht Khunrath wahrscheinlich als Schwelle zwischen Erleuchtung und dem Beginn der Vereinigung mit dem Göttlichen, in der sich das ganze Spektrum der Farben manifestiert.

[74] Gustav Meyrink 1992, ‘Tschitrakarna, das vornehme Kamel’, S. 162-169; ‘Das Fieber’, Ebd., S. 254-260.

[75] Gustav Meyrink 1992, ‘Das Fieber’, S. 254.

[76] Ebd., S. 257.

[77] Siehe ein ähnliches Bild: den weißen Neger, in Gustav Meyrink 1992, ‘Der Albino’, S. 303.

[78] Die katagenetische Dimension/Dynamik des nigredo-putrefactio.

[79] Gustav Meyrink1992, ‘Das Fieber’, S. 255; siehe auch das Bild der roten Strahlen der sinkenden Sonne in Gustav Meyrink 1992, ‘Chimäre’, S. 320.

[80] Evelyn Underhill 1995, S. 239.

[81] Der Zustand des Mondes oder des Silbers; ‘die reine jungfräuliche Königin’, der Pfad der Erleuchtung, der höchste Gipfel vor der Vereinigung mit dem Absoluten.

[82] Die Vervollkommnung des alchemischen Goldes, ‘die Heirat des Mondes mit der Sonne’, die Vereinigung des menschlichen Geistes mit dem göttlichen; siehe Blake: für ihn ist die Vereinigung der Seele mit Gott das Ziel des Werkes.

[83] Evelyn Underhill 1995, S. 239-240.

[84] Gustav Meyrink 1992, ‘Das Fieber’, S. 258.

[85] Vgl. Meyrinkiana V, 28, apud Manfred Lube 1980, S. 116.

[86] Alfred Kubin, Die andere Seite, S. 105.

[87] Jean Chevalier und Alain Geerbrant 1994, Bd. 3, S. 64.

[88] Gilles Deleuze 1995.

[89] Kalka interpretiert diese Kategorien als kalte Abstraktionen. Vgl. Joachim Kalka, ‘Das Unheimliche des Erzählens, Gustav Meyrink zwischen Okkultismus, Satire und Kolportage’, S. 114.

[90] Siehe Blake: es gibt einen einmaligen und vereinigenden Augenblick jedes Nacht-Tag-Zyklus; wenn man diesen findet, transzendiert man die Zeitlichkeit: man tritt ins illud tempus, in den Individuationszustand, in die Welt der Archetypen ein: ‘There is a Moment in each Day that Satan cannot find, / Nor can his Watch Fiends find it; but the Industrious find / This Moment & it multiply, & when it once is found / It renovates every Moment of the Day if rightly placed’, (William Blake 1979, Milton, 35, 42-45, S. 526).

[91] Gustav Meyrink 1992, ‘Bal Macabre’, S. 67.

[92] Joachim Kalka, ‘Das Unheimliche des Erzählens, Gustav Meyrink zwischen Okkultismus, Satire und Kolportage’, S. 117.

[93] Das grüne Gesicht, 1917, S. 249, Vgl. Joachim Kalka, ‘Das Unheimliche des Erzählens, Gustav Meyrink zwischen Okkultismus, Satire und Kolportage’, S. 117.

[94] Ken Wilber 1995, S. 113.

[95] Vgl. Mircea Eliade 1999a, S. 23.

[96] Ebd., S. 24.

[97] Gustav Meyrink, Das grüne Gesicht, S. 207.

[98] Gustav Meyrink, Der Golem, S. 80.

[99] Gustav Meyrink, Das grüne Gesicht, S. 208.

[100] Ebd., S. 260.

[101] Ebd., S. 209.

[102] William Blake 1979, Milton, 1, 23, 3-10, S. 506.

[103] Novalis sagt in diesem Sinne im Allgemeinen Brouillon, ‘einst wird der Mensch beständig zugleich schlafen und wachen’ (Hans-Joachim Mähl 1986, S. 373.). Das ist praktisch Jungs Idee der Individuation; in diesem Zustand sind das individuelle und das kollektive Unbewusste und das Bewusstsein in einem dynamischen Gleichgewicht, indem das Bewusstsein den Thesaurus Intelligibilium des Unbewussten assimiliert; der ‘individuierte’ Zustand. Muschg ist der Meinung, dass die Romantik hat jetzt drei wirksame Potenziale: die Verabsolutierung der Poesie (als einer hierophanischen, göttlichen Sprache), die Reanimation der Mythen (also die Reanimation der Archetypen), und die Vergeistigung der Welt (der Begriff des Geistes selbst ist ein  bürgerlich gewordener Spross der Romantik) (Adolf Muschg 1993, S. 9.). So muss der Mensch, nach dem romantischen Programm, nur die Schwelle überschreiten, welche zum Dialog der Unitotalität, zur unendlichen Kommunikation führt.

[104] Es gibt in Meyrinks Werk sehr viele Bilder des physischen und geistigen-psychischen Eingesperrtseins: das verschlossene Zimmer, worin man die Gespenster gabannt hat (d.h. die physische Welt, in der das kollektive Unbewusste versperrt ist), das Gemach ohne Zugang, das vergitterte Fenster des Innern (auch das Verschliessen der Tore der Sinne: ‘Verschlossen wurden da die Tore seiner Sinne’, Gustav Meyrink 1992, ‘Der Buddha ist meine Zuflucht’, S. 104), das Zusammensperren starker Tiere (Meyrink 1992, ‘Schöpsoglobin’, S. 132), das Zimmer, dessen Eingang niemand finden kann (Meyrink, Der Golem, S. 58), die verschlossenen Herzen (Meyrink, Der Golem, S. 68), ‘die Reihe der Begebenheiten im Leben’ als ‘Sackgasse’ (Meyrink, Der Golem, S. 84), das Zimmer ohne Zugang (Meyrink, Der Golem, S. 265), die Sträflingszellen (Gustav Meyrink 1992, ‘Das ganze Sein ist flammend Leid’, S. 208), menschliche Schemen, gefesselt an Händen und Füssen (Gustav Meyrink 1992, ‘Der Tod des Selchers Schmel’, S. 217) (siehe auch bei Blake solche Bilder von Menschen, gefesselt an Händen und Füssen, z.B. die Illustrationen für The Visions of the Daughters of Albion), der Kern in der Nuß (Gustav Meyrink 1992, ‘Der Albino’, S. 297), das blinkende Zepter gefesselter, schlafender Macht (Gustav Meyrink 1992, ‘Chimäre’, S. 319), das gebundene, gefangene Leben (Gustav Meyrink 1992, ‘Der Schrecken’, S. 374), das Eingeschlossensein im gläsernen Tempel (Gustav Meyrink 1992, ‘Der Untergang’, S. 387). Siehe auch Kubins Bild: die Erde als hölzernes Gefängnis (Alfred Kubin, Die andere Seite, S. 126).

[105] Gustav Meyrink, Das grüne Gesicht, S. 207.

[106] William Blake 1979, Songs of Experience, ‘London’, S. 216.

[107] Gustav Meyrink, Das grüne Gesicht, S. 241.

[108] Ebd., S. 260.

[109] Joachim Kalka, ‘Das Unheimliche des Erzählens, Gustav Meyrink zwischen Okkultismus, Satire und Kolportage’, S. 124. Siehe Blakes Fragmentierung (division), die aber im Blakeschen System auch eine kreative Funktion hat: die Schöpfung ist nur durch Fall-Fragmentierung möglich, die Schöpfung bedeutet somit die Spaltung des einheitlichen Prinzips, d.h. die Geburt der Mehrheit aus der göttlichen ursprünglichen Einheit. Siehe auch die wesentliche Funktion des Fragmentarischen in der Romantik.

[110] Ebd.

[111] Vgl. Clemens Ruthner, ‘Jenseits der Moderne, Abriß und Problemgeschichte der deutsch-sprachigen Phantastik 1890-1930’, S. 81.

[112] Ebd., S. 89. Ruthner bemerkt, es gibt in diesem Roman Verweise auf die Entwicklung zur Massengesellschaft in der Phase der Industrialisierung, auf die Krise des bürgerlichen liberalen Individuums unter dem Druck kollektiver Entfremdung (Ebd.).

[113] Ebd.

[114] Ebd.

[115] Der Held im Golem kommt am Ende zu einem verschlossenen Tor; dieses versperrte Tor trägt das Symbol des Hermaphroditen.

[116] Clemens Ruthner, ‘Jenseits der Moderne’, S. 90.

[117] Ebd.

[118] Ruthner zeigt, es gibt einen kabbalistischen Heilsentwurf im Roman Das grüne Gesicht, einen yogistischen im Weißen Dominikaner, und einen taoistischen im Engel vom Westlichen Fenster, (Ebd., S. 90).

[119] Gustav Meyrink 1992, ‘Das Wachsfigurenkabinett’, S. 124.

[120] C.G. Jung 1991, S. 322-323.

[121] William Blake 1979, Milton, I, 19, 33 und Jerusalem, III, 75, 14-18.

[122] Marie-Louise von Franz 1994, S. 336-345.

[123] Gustav Meyrink, Der Golem, S. 179.

[124] C.G. Jung 1991, S. 323.

[125] C.G. Jung, 1971-1990a, S. 176.

[126] Gustav Meyrink, Der Golem, S. 51-52.

[127] Ebd., S. 155.

[128] C.G. Jung 1971-1990a, S. 193.

[129] Vgl. C.G. Jung, 1971-1990b, S. 80.

[130] Gustav Meyrink 1992, ‘Das verdunstete Gehirn’, S. 242.

[131] Robin Robertson 1995, S. 82.

[132] Ken Wilber 1995, S. 231-232.

[133] C.G. Jung 1991, S. 332.

[134] Ebd., S. 333.

[135] Ebd., S. 544-545.

[136] Ebd., S. 545.

[137] Ebd.

[138] Mircea Eliade 1999b, S. 639.

[139] C.G. Jung 1991, S. 547.

[140] Ebd.

[141] Vgl. Heraklit, Fragm. 69, apud C.G. Jung 1991, S. 421.

[142] Vgl. David V. Erdman, 1967.

[143] Manfred Lube 1978, S. 82. Steiner würdigte, in respektvoller Weise, in einem seiner Vorträge Meyrinks Erkenntnisse auf dem Gebiet der Mystik (Vgl. der Vortrag im Zyklus ‘Gegenwärtiges und Vergangenes im Menschengeiste’, Berlin, 1920). In diesem Sinne sah Jung in Meyrink einen Vertreter des visionären Kunstschaffens und stellte ihn in eine Reihe, die von Dante über Hoffmann zu Nietzsche und Wagner führt (Vgl. Florian F. Marzin 1986, S. 39). Raine sieht in diesem Zusammenhang Blake als einen der sechs Genien der modernen Welt (Kathleen Raine 1965). Diese Anschauungen beweisen, dass die vier Autoren, die ich im vorliegenden Papier untersuche, für das moderne Denken wichtig sind, da sie Meisterwerke der Geistesgeschichte schuffen.

[144] Florian F. Marzin 1986, S. 52.

[145] Ebd., S. 55.

[146] Siehe auch B. Jansen 1922, S. 21.

[147] Gustav Meyrink, Der Golem, S. 278.

[148] Vgl. S. Mayer 1975, S. 203, apud Florian F. Marzin 1986, S. 55.

[149] Siehe auch die Hauptgestalt im Roman Das grüne Gesicht, Chidher Grün; obwohl nicht real existierend, hat Meyrink ihn zum Vehikel der Handlung gemacht; er ist ein Prinzip, das nicht konkretisierbar ist, er erscheint nur als Vision und in Gesprächen, er ist nirgends im Roman ergreifbar (Vgl. Florian F. Marzin 1986, S. 83-85). A. Keyserling sieht im grünen Gesicht die Beschreibung des ‘mystischen Weges’ (Vgl. A. Keyserling 1966, apud Florian F. Marzin 1986, S. 86).

[150] Marzin zeigt, die Charaktere in Meyrinks Büchern gehen einen individuellen Weg zur Erlösung: das ist das Eingehen in eine höhere Bewusstseinsebene (Florian F. Marzin 1986, S. 71).

[151] Gerschom Scholem 1996; besonders der 5. Kapitel, ‘Reprezentarea Golemului în relaþiile ei telurice ºi magice’, S. 176-218.

[152] Scholem glaubt, der Golem Meyrinks bedeutet das Materialisieren der kollektiven Seele des Ghettos von Prag, aber auch das Alter Ego des Helden, des Künstlers, der seine Selbsterlösung sucht. Der Golem ist somit das eigene nicht-erlöste Selbst (Vgl. Gerschom Scholem 1996, S. 176-177).

[153] Florian F. Marzin 1986, S. 76-77.

[154] Siehe auch R. Hocke, ‘Die Welt als Labyrinth’, apud Florian F. Marzin 1986, S. 57.

[155] Gustav Meyrink, Das grüne Gesicht, S. 280.

[156] Florian F. Marzin 1986, S. 79. Das Leitmotiv im Roman Das grüne Gesicht ist die Überwindung des Körpers durch den Geist, das Erreichen einer höheren Existenz (Vgl. Eduard Frank, ‘Vorwort zu Gustav Meyrink Das grüne Gesicht’, S. 11, apud Florian F. Marzin 1986, S. 82).

[157] Florian F. Marzin 1986, S. 87.

[158] Siehe auch Meyrinks Engel vom Westlichen Fenster (Vgl. Florian F. Marzin 1986, S. 87).

[159] Florian F. Marzin 1986, S. 96.

[160] Ebd., S. 98.

[161] Vgl. Gerschom Scholem 1996, S. 181.

[162] Ebd., S. 182.

[163] Vgl. Louis Ginzberg, Legends of the Jews, Bd. V, 1925, S. 72; Max Förster 1908, S. 477-529 (apud Gerschom Scholem 1996, S. 179, und 235, 7).

[164] Im Roman Das grüne Gesicht spricht Meyrink von der christlichen Mystik der Wiedergeburt, deren Ziel das ewige Leben ist (Gustav Meyrink, Das grüne Gesicht, S. 67 und 75); das ist ein wesentliches Element in Blakes, Novalis’ und Jungs Denksysteme.

 

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