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Gesellschaft der Germanisten Rumäniens (GGR) - www.ggr.ro

Zeitschrift der Germanisten Rumäniens, 7. Jg., 13-14 / 1998, S. 409-412

 

 

JOHN FELSTINER, PAUL CELAN. EINE BIOGRAPHIE.

Deutsch von Holger Fliessbach. 432 S., C. H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung, München, 1997.



Rund 20 Seiten widmet die erste Biographie Paul Celans dessen wohl bekanntestem Gedicht, “[e]ine[r] Fuge nach Auschwitz” (vgl. S.48-69), dem - wie Felstiner die in freirhythmischen Versen geschriebene Todesfuge auch nennt - “Guernica der europäischen Nachkriegsliteratur” (S.53). Wissend, daß dieses Gedicht im Mai 1947 unter dem Titel Tangoul morþii erstmals publiziert wurde, stellt Felstiner u.a. Spekulationen darüber an, was den Dichter, Überlebenden [des nationalsozialistischen Holocaust] und Juden - so der Untertitel der 1995 erschienenen Originalfassung, Paul Celan: Poet, Survivor, Jew - zur Revision des Titels bewogen habe: “Als Celan nach dem rumänischen Debüt des Gedichts in einem Typoskript das Wort ‘-tango’ im Titel ausstrich und durch ‘-fuge’ ersetzte (allerdings die Worte ‘spielt auf nun zum Tanz’ stehenließ), bewirkte diese kleine Veränderung einen gewaltigen Unterschied. [...] Der Genitiv scheint zu meinen, daß die Fuge ‘des Todes’ ist. Aber was soll dieser absurde Genitiv, diese unversöhnliche Zusammensetzung, die Tod und Musik, Nichtigkeit und Ordnung, als die zwei Seiten dieses Terminus zusammenzwingt?

Celans kleine Revision, vom zweisilbigen ‘-tango’ zur zweisilbigen ‘-fuge’, erweiterte den Strahlkreis des Gedichts; denn Die Kunst der Fuge war die musikalische Summe des Schaffens von Johann Sebastian Bach, unserem einzigartigen Meister aus Deutschland. Jetzt wirft Celans Terminus ‘Todesfuge’ den Schatten des Zweifels auf diesen Gipfel der Musik, welche ihrerseits der Inbegriff der Kunst ist. Jener Zweifel war bereits unüberhörbar, als Fugen von Bach vor dem Wohnhaus des Auschwitzer Lagerkommandanten erklangen. Anders als in dem beliebten Gedicht Die Fuge (1930) des Nazi-Sympathisanten Ernst Bertram desavouieren die Verse Paul Celans jede erhabene Vorstellung von der Musik als der reinsten Macht, die unser Leben ordnet.

Oder unseren Tod. Denn Todesfuge greift in eine etablierte Tradition deutscher und österreichischer Kultur ein: die Verbindung von Tod und Musik wie in Schuberts Der Tod und das Mädchen, Wagners ‘Liebestod der Isolde’, Brahms’ Ein deutsches Requiem und Mahlers Kindertotenliedern. Celans Gedicht macht diese Tradition zunichte. Auch wenn die Musik des Todeslagers mitunter den deutschen Stab ‘humanisierte’ oder die Häftlinge aufrichtete oder die Musiker (vorübergehend) freistellte, ließ die Negation aller Werte der Welt doch die Musik und die Idee der Musik grotesk werden.

Musik selbst ist wesentlich, wenn Todesfuge Kunst mit Geschichte konfrontiert. Es steckt Versmusik in Celans variierenden Rhythmen, seinen Refrains und wiederkehrenden Motiven, seinen Alliterationen und dem seltenen Reim. Auch die Sprecher des Gedichts reden von Musik: vom Pfeifen, vom Spielen und Tanzen und Singen, von Geigen und der Fuge. Kein Wunder, daß dieses Wort ‘Todesfuge’ mit den Jahren an Gewicht gewonnen hat.” (S.60f.)

Mir ist bei dieser - ausführlich zitierten - Passage aus mehreren Gründen nicht wohl. Erstens verschiebt sie die biographische Frage nach dem Motiv dergestalt, daß die Wirkung des revidierten Titels auf Felstiner gleichsam unter der Hand zur Ursache dafür wird, warum Celan “-tango” durch “-fuge” ersetzt haben soll. Zweitens reden die Sprecher des Gedichts - “wir” - zwar von Musik; von einer wie immer gearteten Fuge jedoch ist überhaupt nur im Titel die Rede (vgl. I, S.39ff.) (1). Drittens liegt der “Verbindung von Tod und Musik”, die im übrigen unmittelbar mit der Fuge als musikalischer Satztechnik nichts zu tun hat, keine exklusiv österreichische und deutsche Tradition zugrunde; vielmehr ist die Missa pro defunctis (lat.) respektive das Requiem (ital.) Teil der katholischen Liturgie. Just diese Tradition belegt indirekt das von Felstiner als Argument ins Feld geführte Brahms-Requiem, das deshalb prononciert “[e]in deutsches” heißt, weil es ein protestantisches ist, mithin einem anderen Text folgt und - statt dem katholischen Requiem gleich in lateinischer - in deutscher Sprache gesungen wird. Sein Titel verweist also gerade nicht auf eine dem deutschen Wesen besonders eigene Verbindung von Tod und Musik, sondern auf Brahms’ Versuch, die in der katholischen Liturgie verwurzelte Totenmesse gleichsam einzudeutschen.

Viertens ist das (wo? in Deutschland?) “beliebte[.] Gedicht Die Fuge (1930) des Nazi-Sympathisanten Ernst Betram” mindestens mir niemals untergekommen. Und schließlich sehe ich, fünftens, auch keine Notwendigkeit, das “unversöhnliche” Kompositum ‘Todesfuge’ so zu verstehen, als ob diese Fuge “‘des Todes’” sei; vermag der Titel doch ebensogut eine Fuge vom Tod in den Lagern, d.h. Form und Inhalt der Todesfuge zu bezeichnen. Mehr noch: Faßt man ihn so auf, läßt sich die Frage nach Celans Motiv wohl beantworten. Er hätte den Titel dann nicht revidiert, um den “Strahlkreis des Gedichts” zu erweitern, sondern im Gegenteil mit dem Ziel einer - auch: biographischen - Präzisierung. Versah ursprünglich “Todestango” dadurch, daß der Titel sich auf ein Stück Realität in den Lagern bezog (vgl. S.56ff.), den Text mit der “Aura des zuverlässigen Zeugnisses” (S.58) - einer Aura, die angemaßt war -, so markiert die Revision demgegenüber eine wie immer minime Differenz zwischen den Sprechern im Gedicht (“wir”) und dem, der ihnen durch das Gedicht eine Stimme gibt; der ihnen die Seine zu leihen vermag, eben weil er selbst nicht unter den “wir” war; und der eben deshalb sein und ihr Sprechen - das ihn, indem es in diesem Gedicht zusammenfällt, im nachhinein an ihre Seite versetzt - zugleich auch von außen betrachten, nämlich seiner Form nach als Fuge bestimmen kann.

Warum zieht nun Felstiner nicht diesen Schluß? Einerseits liegt dies daran, daß seine Biographie nicht primär vom Leben, sondern von Celans Gedichten sich herschreibt - genauer: von deren Wirkung auf einen Rezipienten, der die “Unmittelbarkeit der Todesfuge” als “bezwingend” (S.58) erfährt und daher zwischen Dichter und Gedicht keine Handbreit Raum lassen mag: “Was es bedeutete, Paul Celan zu sein, entfaltete sich in den 800 Gedichten, die er zwischen 1938 und 1970 schrieb.” (S.15) Daß der Eindruck der Unmittelbarkeit im Fall der Todesfuge aus dem “hautnahen Präsens der ersten Person Plural: wir trinken und trinken” (S.58) resultiert, wird zwar trotzdem vermerkt, im übrigen aber “Authentizität Celans” (ebd.) schlicht unterstellt. Natürlich weiß der Biograph, daß das Gedicht nicht “‘in einem Konzentrationslager geschrieben’” (ebd.) wurde. Diese - im übrigen weiter, als Felstiner meint, verbreitete - “Fehlinformation” (ebd.) aber fungiert als Beleg dafür, daß gleichwohl ungebrochenes Sprechen vorliegt und nicht etwa ein Sprechen-als-ob, das sich seiner Legitimation kaum je sicher sein konnte; spricht doch nicht nur in Todesfuge ein sowohl den rumänischen Arbeitslagern in Transnistrien wie auch den eigentlichen Vernichtungslagern der Deutschen Entgangener dennoch respektive gerade deshalb, nämlich um eine Schuld abzutragen, im Namen der Toten, und das in der Sprache, die die seiner Mutter, zugleich aber auch die der Mörder ist. Dieser Komplex von Nicht-Identitäten, ernst genommen, hätte vielleicht in der Tat einen Schlüssel zu Leben und Werk Celans abgeben können. Dem gegenüber mutet Felstiners Ansatz zumal in der Emphase auf Celans Dichtertum stark vereinfachend an: “Er war vor allem ein Dichter - notgedrungen und aus freier Wahl ein jüdischer Dichter: das heißt, ein Dichter und ein Jude seiner Zeit. Beide Identitäten durchdrangen aneinander in einem Ausmaß, daß jede andere Definition wie Stückwerk scheint.” (S.19)

Keineswegs verschwiegen sei, daß der geduldige Leser diesem Ansatz Felstiners manches verdankt: Außerordentlich kenntnisreich werden wahrscheinliche und immerhin mögliche Einflüsse des Hebräischen und des Jiddischen auf Celans Sprache analysiert, ebenso die der Geschichte des jüdischen Volkes und der Bibel auf Stoffe von Celans Gedichten. Deren Datierungen sowie die der Übersetzungen, oft in Beziehung gesetzt zu biographischen Zäsuren, sind nicht nur zuverlässig, sondern zumal für den Nicht-Benutzer der historisch-kritischen Celan-Ausgabe auch unbedingt aufschlußreich. Zwei, drei Aufsätze hätten dies allerdings gleichermaßen geleistet und einem den Ärger erspart, daß - wohl um des in Anschlag gebrachten Paradigmas von Celans Dichtertum willen - nicht einmal die Patenschaft von Immanuel Weissglas’ Er (1944) für die Todesfuge Erwähnung findet (2). Daß ein detailliertes Personen- und Werkregister bei Bedarf den selektiven Zugriff auf Informationen erlaubt, sei in diesem Zusammenhang einerseits lobend, andererseits als nicht nur Lesezeit sparendes (Hilfs-)Mittel ausdrücklich hervorgehoben.

Andererseits versteht Felstiners Biographie sich offenbar durchaus im Sinn eines Minderheitendiskurses u.s.amerikanischer Prägung, d.h. politically correct, d.h. in strikter Opposition zu der uneinsichtigen - in diesem Fall: bundesdeutschen - Celan-Rezeption der 50er- und frühen 60er-Jahre. Von da her erklärt sich seine schroffe Ablehnung jeglicher formorientierter Analyse, also etwa der der Todesfuge als bloßer Fuge, die in der Tat mehr über bundesdeutsche Verdrängungsakrobatik und prekäre Befindlichkeit in den Jahren des Wirtschaftswunders aussagt als über Celans Text. Gleichwohl hätte eine Unterrichtsempfehlung wie die, “eine Bachsche Fuge zu analysieren und die Schüler die einzelnen Stimmen des Gedichts in verschiedenen Farben unterstreichen zu lassen, ‘um die Polyphonie hörbar zu machen’ und zu demonstrieren, wie ‘aktuelles Geschehen’ vom Dichter ‘künstlerisch bewältigt’ werden kann” (S.218), Felstiner hellhörig machen sollen. Abgesehen davon, daß die wohlfeile Formel vom “aktuelle[n] Geschehen” und seiner künstlerischen Bewältigung natürlich Quatsch ist, verdankt er dem zitierten Passus vermutlich den Hinweis auf Bachs Kunst der Fuge. Nimmt man die von ihm bei Celan konstatierten “variierende[n] Rhythmen, seine[.] Refrains und wiederkehrenden Motive” (S. 61) hinzu, so wäre die Homologie einer Bachschen mit Celans Todesfuge in formaler Hinsicht wohl anzuerkennen gewesen, - wenngleich sie den Gehalt des Gedichts, zugegebenermaßen, nur streift; geht immerhin doch der Vorbehalt, die Todesfuge sei nicht schlicht genug, sondern mit ihren freirhythmischen Langzeilen viel zu artifiziell - wie berechtigt im Rückblick auch immer -, nicht auf einen binnendeutschen Feuilletonisten, sondern ursprünglich auf Alfred Kittner zurück (3).

Überhaupt überrascht die Souveränität, mit der Felstiner diskutable Ergebnisse der Forschung ignoriert. Zwar ist die Celan-Philologie ob der Fülle der Publikationen inzwischen so unübersichtlich, daß selbst der Eingeweihte der Bibliographie von Christiane Bohrer (4) bedarf, und eine Lebensbeschreibung kein Forschungsbericht. Wer eine die Gedichte teils assimilierend vereinnahmende, teils durch formbetonte Analysen entschärfende oder gar im Schlepptau von Theodor W. Adornos berühmt-berüchtigtem Diktum sie zurückweisende Rezeption in der literarischen Öffentlichkeit und im Schulwesen Westdeutschlands völlig zu Recht wiederholt kritisiert, aber sollte, und sei’s nur der Fairness halber, gelegentlich auch die ersten Versuche einer philologischen Auseinandersetzung mit Celans Werk von Mitte der sechziger Jahre an, also noch zu dessen Lebzeiten, als aus dem gleichen Land - und durchaus nicht nur von Peter Szondi - stammend erwähnen (5). Für eine Biographie, deren roter Faden in der interpretierenden Lektüre von Celans Gedichten besteht, überaus dürftig ist zudem die Konsultation lediglich eines Fachzeitschriftenbeitrags zu einem so viel diskutierten Gedicht wie Tübingen, Jänner (vgl. S.399f.). So geschieht, was vermeidbar gewesen wäre, für das Buch jedoch leider nicht untypisch ist: Felstiners Interpretation des Gedichts fällt hinter den Stand der Forschung zurück .

Nun erwartet man von einer Biographie auch dann, wenn sie einem Schriftsteller gilt, nicht vorrangig Interpretationen und eine Einführung ins Werk, sondern vielmehr das, was die Gattungsbezeichnung verspricht - eine Lebensbeschreibung. Die aber ist die eigentliche Enttäuschung von Felstiners Buch. Über Celans Brotberuf, seine Lehrtätigkeit an der École Normale Supérieure in Paris, ist der Biographie beispielsweise nur en passant zu entnehmen, daß Celan dort “zweimal wöchentlich” (S.359) “deutsche Sprache und Literatur unterrichtete” (S.130), sich 1969 “mit Rilkes Roman Malte Laurids Brigge” (S.334) befaßte und im Frühjahr 1970 ein “Kafkaseminar” (S.359) hielt, in dem er seinen Studenten, wie stets, “regelmäßig Übersetzungen auf-[gab]” (S.130, vgl. S.359). Schlimmer noch trifft es die Frau des Dichters, Gisèle Celan-Lestrange (1927-1991), die in einem Satz abgetan wird: “Sie war Graphikerin und konnte stundenlang zu den Klängen von Barockmusik über einer detailreichen abstrakten Zeichnung sitzen.” (S.101) Sollte das alles gewesen sein?

Folgt man der Biographie, so hätte Celan in Paris - außer zu Franz Wurm (vgl. S.357f.) - kaum Kontakte gehabt. André du Bouchet, der mindestens zeitweise mit Celan befreundet gewesen sein muß (6), kommt bei Felstiner nicht einmal vor. Die Freundschaft mit René Char dagegen wird zwar an zwei Stellen als solche erwähnt (vgl. S.184, S.199), gewinnt aber nirgends Kontur.

Immerhin behauptet wird eine Freundschaft zu Ingeborg Bachmann (vgl. S.87), über die man gerne Näheres erfahren hätte. Der Hinweis, daß “Celans Wiener Gedichte [...] sich zumeist an Ingeborg Bachmann [wenden], wie wir an ihrem Roman Malina (1970) sehen” (ebd.), leistet dies nicht nur nicht, sondern offenbart ein erschreckendes Maß an Naivität im Umgang mit fiktionalen Texten. Wenn solche wie Quellen gelesen werden, wäre andererseits auch der fünfte von Hermann Lenz’ Eugen-Rapp-Romanen, einer fiktiven Autobiographie, mit heranzuziehen gewesen; sind diesem doch zwei Besuche Celans, der im Buch Jakob Stern heißt, in den fünfziger Jahren beim Ehepaar Lenz zu entnehmen (7). Anders als im Fall von Ingeborg Bachmann hätte sich der empirische Wahrheitsgehalt des von Lenz Erzählten bei einem Besuch in München sogar überprüfen lassen. Vielleicht wäre Felstiner dann auch aufgefallen, daß das angeblich auf der “Rückfahrt im Omnibus über die Alpenstraße” nach einem Besuch bei Nani und Klaus Demus entstandene Gedicht Nächtlich geschürzt (I, S.125f.; vgl. Felstiner, S.99f.) der Halbjüdin “Hannah [sic!] und Hermann Lenz” gewidmet ist. So aber teilen beide das Schicksal du Bouchets: Sie kommen im Buch von Felstiner nicht vor.

Gestalt gewinnt in dem Buch überhaupt nur eine menschliche Beziehung Celans, nämlich die zu der knapp dreißig Jahre älteren Dichterin Nelly Sachs (1891-1970). Die Passagen, die dieser Freundschaft gelten, gehören zu den wenigen wirklich gelungenen in Felstiners Biographie. Für eine zuverlässige Darstellung des schwierigen Verhältnisses zu Martin Heidegger hingegen sollte der Leser auch künftig auf Gerhart Baumanns Erinnerungen an Paul Celan (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1986) zurückgreifen. Felstiner ist die Nähe Celans zu Heidegger - “dem Mann, der unter Hitler 1933/34 Rektor der Freiburger Universität gewesen war, der 1935 die ‘innere Wahrheit und Größe’ des Nationalsozialismus erklärt hatte, der noch 1936 seine Briefe mit ‘Heil Hitler!’ unterzeichnete, der seine Studenten mit Hitlergruß grüßen ließ und ein Parteiabzeichen trug und bis 1945 seine Mitgliedsbeiträge als Parteigenosse entrichtete” (S.312) - nämlich derart suspekt, daß er Baumanns Bericht, obwohl der für ihn die wichtigste Quelle ist, kurzerhand umschreibt. Seine Version unterstellt kontrafaktisch, daß eine <a> nur von Celan erstrebte Verständigung notwendig scheitern mußte, weil es <b> Heidegger unmöglich gewesen sei, auf diesen Gesprächspartner einzugehen. “Der jüdische Dichter [...hätte] den deutschen Denker” (S.313) daher besser gar nicht erst aufgesucht noch ihm aus Paris das erste Exemplar des bibliophilen Sonderdrucks von Todtnauberg (II, S.255f.) schicken sollen: “Die Reaktion war ein nichtssagender Brief, der nur konventionelle Dankesfloskeln enthielt. Wie hätte der 78jährige Philosoph schließlich auch reagieren können? Er wußte, was Celan umtrieb, aber sein Schweigen über die Nazijahre war eingebunden in eine lebenslange Suche nach dem menschlichen Sein, nicht nach menschlichen Wesen.” (S.315)

Menschliche Wesen, mit denen Celan Verständigung und - wenigstens zeitweise - Einverständnis möglich war, waren, so suggeriert Felstiners Biographie maliziös, je länger je mehr ausschließlich Juden. Und auch die nur, sofern einer nicht wie “Theodor Wiesengrund den Namen seines jüdischen Vaters verleugnet und den seiner katholischen Mutter, Adorno, angenommen hatte” (S.187). Felstiners Celan steht daher allein - in Deutschland verkannt, in Frankreich zu Lebzeiten ein Unbekannter -, um ihn herum “[d]as Westeuropa der Nachkriegszeit mit seinem Mangel an Gewissen” (S.171). Daß seit seinem Freitod am 20.04.1970 “[m]indestens sieben Komponisten” das Gedicht Todesfuge “in verschiedenen Kombinationen von Singstimme und Instrumenten” vertont haben, die Schauspielerin Ida Ehre es gar “zum 50. Jahrestag der Kristallnacht [sic!...] im Deutschen Bundestag [rezitierte]” (S.365), wird mit gebührendem Abscheu vermerkt. Immerhin: “Celan blieb das erspart.” (Ebd.) Nicht erspart geblieben ist ihm allerdings jene postume Vereinnahmung, gegen die der auf Vereinfachungen, und sei es nur solche durch einen Vergleich, für gewöhnlich heftig reagierende Celan sich zu Lebzeiten wohl verwahrt hätte. “‘Es ist nicht so einfach’, hörte man ihn sagen.” (S.327) Felstiner weiß dies, zitiert es sogar. Beherzigt hat er es nicht.

Wolfgang Schaller

Anmerkung: Die Redaktion der ZGR erlaubt sich, in Ergänzung dieser ausgezeichneten Besprechung auf die Beiträge rumänischer Celan-Forscher zu verweisen, die von Dieter Schlesak umfassend gewürdigt wurden. Siehe also auch: Dieter Schlesak, Paul Celans Herkunft als Schlüssel zu seinem Gedicht. II, in: Südostdeutsche Vierteljahresblätter (München), 3, 1998, S. 226-234, sowie in: George Guþu (Hrsg.), Wehn vom Schwarzen Meer... Literaturwissenschaftliche Aufsätze, Bukarest: Paideia 1998, S. 241- 249.


ANMERKUNGEN:


(1) Ich zitiere die Werke Paul Celans hier und im folgenden nach der Ausgabe P.C., Gesammelte Werke in fünf Bänden, hrsg. von Beda Allemann und Stefan Reichert unter Mitwirkung von Rolf Bücher, Erster Band: Gedichte I (Mohn und Gedächtnis, Von Schwelle zu Schwelle, Sprachgitter, Die Niemandsrose) bzw. Zweiter Band: Gedichte II (Atemwende, Fadensonnen, Lichtzwang, Schneepart), Frankfurt am Main (1983) 1986 mit unmittelbar im Text angeschlossener Angabe des Bandes (I oder II) und der Seitenzahl (S.[...]).

(2) Vgl. dazu Leonard Forster, ‘Todesfuge’: Paul Celan, Immanuel Weissglas and The Psalmist. In: German Life & Letters (New Series) 39, 1985/86, S.1-20, sowie Franz Hebel, Grenzen des Verstehens. Paul Celans “Todesfuge” als intrakultureller Text. In: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 13, 1987, S.108-118.

(3) Mündliche Mitteilung von Paul Schuster auf der Tagung “BUKOWINA - Insel der deutschsprachigen Literatur” vom 20. bis zum 22.03.1992 in der Theodor-Heuss-Akademie, Gummersbach.

(4) Christiane Bohrer, Paul Celan - Bibliographie. Frankfurt am Main, Bern, New York, Paris: Verlag Peter Lang, 1989 (= Literarhistorische Untersuchungen, 14).

(5) Wenigstens Peter Paul Schwarz, Totengedächtnis und dialogische Polarität in der Lyrik Paul Celans. Düsseldorf: Pädagogischer Verlag Schwann, 1966 (= Beihefte zur Zeitschrift “Wirkendes Wort”, 18) und Peter Horst Neumann, Zur Lyrik Paul Celans. Eine Einführung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1968 wären zu nennen gewesen.

(6) Dies läßt sich André du Bouchet, Tübingen, 22. Mai 1986. Deutsch von Renate Böschenstein-Schäfer. In: Hölderlin-Jahrbuch 26, 1988/89, S.321-342, zumal S.333, 337, 339, 340f. entnehmen.

(7) Vgl. Hermann Lenz, Ein Fremdling. Roman. Frankfurt am Main (1983) 1988, S.221-232 und S.424-434.
 

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